Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman
uns drei in ihr Schlafgemach, wo sie mir, kaum war die Tür geschlossen, so viele Fragen stellte, und so schnell nacheinander, und so ungestüm, daß ich niemals darauf hätte antworten können, wenn nicht mein Vater wie Poseidon, der die hochgehenden Wogen mit einem Schlage seines Dreizacks glättet, diesem Sturm der Worte schließlich Einhalt geboten hätte.
Meine liebe Patin hörte außer sich vor Freude, daß der König sich mir so gütig und liebenswürdig bezeigt hatte, mich seinen »kleinen Cousin« zu nennen, sie wechselte aber vom Glück zum Zorn, als ich ihr jenes »cugino della mano sinistra« der Königin wiederholte. Das Rot wich aus ihren Haarwurzeln und sammelte sich augenblicks in ihren Wangen, an ihremHals und kurioserweise auf dem entblößten Teil ihres Busens. Und eine volle Sekunde starrte sie mit offenem Munde wie ein Fisch, ehe sie wieder zu Atem kam, um ihrem Zorn Luft zu machen. Sofort, sagte sie, werde sie hingehen und ihr den Marsch blasen, dieser fetten Bankierin, dieser dicken Trutschel, dieser Gans, dieser Giftziege – dann fuhr sie in italienischer Sprache fort, die ihr wohl besser zum Gegenstand ihres Grolls zu passen schien –, dieser
megera!
Dieser
stupida!
Dieser
bisbetica!
1 Dieser
bestia feroce!
2
»Auf, mein Sohn!« sagte mein Vater, indem er Madame de Guise beide Hände festhielt, »geht nun zu Réchignevoisin und überbringt ihm den Befehl des Königs. Ich bleibe hier.«
»Ich begleite dich, mein Junge«, sagte La Surie.
Lebhaft und behende wie er war, überschritt er als erster die Schwelle. Ich schloß hinter uns die Tür und überließ meinem Vater die Besänftigungspflicht, die nahezu sein tägliches Los war. Was die Idee betraf, daß Madame de Guise hingehen und Maria von Medici den Marsch blasen werde, so war ich fest überzeugt, selbst wenn mein Vater seiner Löwin nicht die Leine um den Hals legte, würde der Biß den Beschimpfungen nicht folgen. Wenn man die gespenstische Leonora Galigai ausnimmt, die als Herrscherin über die Gedanken, die Leidenschaften, den Willen und die Schatulle der Königin gebot, galten die Herzogin von Guise und die Prinzessin von Conti am Hof als die besten französischen Freundinnen der Königin, und weder Mutter noch Tochter hatten gewiß ein Interesse, die unendlichen Vorteile, die sich aus dieser Position ergaben, aufs Spiel zu setzen.
Diese Rücksicht mußte meinem Vater die Aufgabe erleichtert haben, denn kaum hatte ich Monsieur de Réchignevoisin den Auftrag des Königs ausgerichtet, als ich ihn auch schon wieder an meiner Seite fand.
»Und mit wem wollt Ihr den Passe-pied tanzen? Habt Ihr Eure Wahl getroffen?«
»Ich hätte schon«, sagte ich, »erschiene sie mir nicht unerreichbar.«
»Sagt es trotzdem.«
»Die Baronin von Saint-Luc.«
»Ah!« sagte er. »Also auf rührende Schönheiten sind Eure Feuer gerichtet.«
»Was meint Ihr mit rührender Schönheit?«
»Eine feine Schönheit, an der nichts schwer ist, sowohl von der Seele her wie von der körperlichen Hülle: ein lieblicher Mund, duftige Haare und irgend etwas Süßes und Zartes, das sich aus der Stimme und aus dem Betragen mitteilt. Gewiß! An Nachahmungen fehlt es ja nicht; Ihr werdet auf dieser Welt so manchen Frauenzimmern begegnen, die sich als Rühr-mich-nicht-an geben und so spröde und geziert tun, daß man glauben könnte, ihnen schmölze die Butter nicht im Mund. Von denen laßt die Finger. Das sind Dämonen im Unterrock. Zumindest billiger Glasperlentand, gegen den die Baronin von Saint-Luc funkelt wie ein reiner Diamant. Ihre Tugenden sind so unumstritten, daß auch die schwärzeste Lästerzunge des Hofes nie gewagt hat, daran zu rühren.«
»Vater, Ihr sprecht so schön von ihr, daß Ihr sie selbst auffordern solltet.«
»Nein, nein! Sie ist Eurem Alter viel näher als meinem. Und«, setzte er mit gedämpfter Stimme hinzu, »was würde Madame de Guise dazu sagen?«
»Wäre sie denn auch eifersüchtig auf eine so unzweifelhafte Tugend?«
»Sie wäre es sogar auf die Jungfrau Maria, wenn sie mich zu oft beten sähe ...«
Er lachte, und indem er mich beim Arm faßte, durchmaß er den Saal, um mich der Person, die Gegenstand so vielen Lobes war, vorzustellen, und diese nun erriet meinen Wunsch, einfach weil sie meine Stummheit und meine bewundernden Augen gesehen hatte, und mit erlesener Freundlichkeit forderte sie mich von selbst zu dem Passe-pied auf. Mein Herz klopfte zum Zerspringen, und mir war, als flöge ich auf einer sonnevergoldeten Wolke
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