Der Willy ist weg
freundlich.
»Wann?«
Ich sah an mir herunter, auf all die Fäuste, die mich hielten, auf den schäumenden Köter, und sagte nichts. Auf eine viel sagende Art.
»Lasst ihn los.«
Wolf und Heiko, Charlys älterer, respektierter, wenn auch alles andere als geliebter Bruder, hatten zusammen was laufen, vor ein paar Jahren, einen flotten kleinen Handel, und Wolf haben sie an der Grenze verhaftet, und noch am gleichen Tag haben sie auch Heiko gebustet, bei sich zu Hause, und die Bullen sind rein und schnurstracks auf das Versteck zu, in dem die Kilos gebunkert waren. Am gleichen Tag noch. Schnurstracks drauf zu. Nicht viele Leute wussten von diesem Versteck. Eigentlich nur zwei. Und Heiko ist kein Mann, den man leichtfertig verpfeift. Heiko ist, so gesehen, kein Mann, über den man sich leichtfertig äußert.
Die zahlreichen Hände gaben mich frei, und ich sah mich einmal in alle Richtungen um, hatte ich bis dahin doch in erster Linie in den Himmel geschaut.
Beide Verfahren wurden damals getrennt geführt, doch auffällig blieb, wie milde Wolfs Strafe ausgefallen war.
Ich besah mir die oben angespitzten Palisaden, die dahinter angeordneten Stacheldrahtrollen, betrachtete kurz etwas, das aussah wie der Beginn eines Aushubes für einen Wassergraben, ließ meinen Blick über das massive Stahltor auf seiner in den Boden eingelassenen Schiene und das Wachhäuschen schweifen, dessen Schießscharten misstrauisch über den Zaun lugten. Überall waren Scheinwerfer montiert, und von weiter hinten konnte man wieder mal eine Vielzahl von Hunden jaulen hören.
Ich nickte mir eins. Genau so würde ich auch wohnen wollen, wenn ich es mir mit Heiko Zimmermann verdorben hätte.
»Lass uns reingehen«, sagte ich und deutete auf die Türe zur >Haselnuss<. »Wir müssen uns unterhalten.«
»Ich habe dich was gefragt«, kam es frostig zurück, doch ich hatte ihn bei den Kurzen und Lockigen, wie man so schön sagt, und mit einigem Widerwillen folgte er mir in die Kneipe.
Was heißt >Kneipe<: Es war bloß ein rechteckiger, kahler Saal, Fenster auf der einen, aus Profilbrettern zusammengefrickelte Theke auf der anderen Längsseite, davor ein paar Barhocker und unter den Fenstern ein paar Tische und Stühle, das meiste davon Plastikformmöbel. An Decke und Wänden hingen noch die Papiergirlanden der Weihnachtsfeier. Wir waren die einzigen Gäste.
>Vereinsheim-Cafeteria< kam einem beim Betreten des Raumes in den Sinn, >Militärbaracken-Casino<, oder aber >Vorortgemeinde-Mehrzwecksaal<. Alles mit dem Zusatz >Am Arsch der Welt<. Die ganze Bude roch nach tristen, mechanischen Besäufnissen und Stumpfsinn. Ein Ambiente, wie geschaffen für den Typus des hasserfüllten Brüters.
Wir hockten uns auf zwei Hocker, Wolf brüllte nach einer >Helga<, und eine, wie alle hier halb kahl geschorene Hooliga mit Haltungsschaden kam durch einen Perlenvorhang geschlurft. Wortlos und ohne einen von uns beiden anzusehen stellte sie zwei Gläser, eine Familienflasche Cola und eine halb volle Flasche Doppelkorn vor uns auf den Tresen und schlurfte wortlos wieder davon.
Wolf begann, sich eine Zigarette zu drehen. »So, so«, machte er nachdenklich.
Ich drehte mich von ihm weg und starrte schweigend aus dem Fenster.
Draußen ließ ein schnieke und schneidig auftretender Ausbilder eine Reitgerte gegen die Flanke eines seiner Springerstiefel schnalzen. Auf seine knappen Kommandos hin bildete eine Handvoll, tja, anderswo würde man sagen >Prospects<, doch bei den militärisch ausgerichteten Ironheads ging es mehr Richtung >Rekruten<, eine Reihe und stand stramm. Sie gehorchten klaglos, doch so richtig begeistert schienen sie mir nicht zu sein. Alle waren ungefähr im Lehrlingsalter, die meisten, würde ich sagen, Typus >Dachdecker<, und blickten auf eine Art vor sich hin, für die es wahrscheinlich kein anderes Wort gibt als >dumpf<.
»Nu red schon«, forderte Wolf und paffte seinen Docht an, doch ich hatte noch an Spaten und Acker zu kauen und bekam die Zähne deshalb nicht recht auseinander.
»Uund hopp, Vierzehn, auf den Bauch und vorwärts!«
Man konnte dem Ausbilder das Vergnügen ansehen, mit dem er einen seiner Schützlinge nach dem anderen in den Dreck schickte und sie unter einem Stacheldrahtgeflecht hindurchkriechen ließ.
»Und du, Zwölf, brauchst gar nicht so zu grinsen. Du bist der Nächste! Auf den Bauch! Und hopp! Oder ich jage Matto hinter dir her!«
Bei Erwähnung seines Namens sprang der schwarze Schäferhund auf die Beine und zerrte
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