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Der Willy ist weg

Der Willy ist weg

Titel: Der Willy ist weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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gesenkten Lidern hervor, ein Blick, den ich nur als eine Mischung aus Verlegenheit und Verschlagenheit beschreiben kann, ein mimisches Herumdrucksen, funkelnd vor Vergnügen, unwiderstehlich.
    Die kleine Katze kam durch die angelehnte Türe herein, sah mich, sprang mir ansatzlos auf den Schoß, trampelte ein wenig auf der Stelle, strich mir mit dem krummgebogenen Ende ihres langen, schlanken Schwanzes unter der Nase herum, und ein Nieser riss mich schier in Stücke.
    »Und, bist du zu einem Entschluss gekommen?« Charly saß am Küchentisch und krakelte Listen und Zeichnungen auf Papier, ähnlich denen in meinem Zimmer. Der einzige Unterschied war, er hatte nur einen Fall zum Grübeln. Mir dagegen schwamm die Mirse.
    »Die Kanzlei ist nichts als ein Ein-Raum-Büro. Angemietet, wenn du mich fragst. Zu Hause, in seiner Villa, da hat er Platz.«
    »Also denkst du, was ich denke?«
    »Ja«, sagte ich und versuchte, Vierzehn Mona— schon im Ansatz auszuknipsen, wie Werbung im Radio.
    »Und, hast du schon eine Idee, wie?«
    Hatte ich. Und dazu musste ich ein paar Besorgungen machen, was mir ganz recht war, denn mir fiel die Decke auf den Kopf, und Fahren klärt mir unter Umständen schon mal die Flocken aus der Brühe.
    Ich zog mir drei Pullis an, lange Unterhose, Pudelmütze, wickelte mir einen von Mutters dicken Wollschals um den Hals, kramte die gefütterten Lederhandschuhe aus dem Helm, schlüpfte in die Knobelbecher und stapfte aus dem Haus. Orgelte den VW-Transporter auf der letzten Anlasserumdrehung ins Leben, klopfte den Gang rein und stellte mich dem Fahrtwind.
    So, dachte ich, jetzt lassen wir uns erst mal 'ne neue Frontscheibe einsetzen.
    Der Staatsratsvorsitzende nuschelte Gift und Galle in unverbrämtem Sächsisch, der christdemokratische Buddhakanzler saß da und sonderte Worthülsen ab, sein ihm das >sch< verweigernder Sprachfehler schlimmer denn je, in unmittelbarer Nähe der innerdeutschen Grenze flogen ganze Luftwaffeneinheiten Angriffswellen, ohne es zu schaffen, einen harmlosen Ballon vom Himmel zu holen, der gesamte Warschauer Pakt war von Hysterie ergriffen und zerrte seine Atomwaffen aus den Bunkern, und Ragobert dachte, wenn man den Russen nur einen Schuldigen präsentieren könnte, würde alles wieder gut.
    So zumindest klang er am Telefon. Dagmar Berghoff hatte gerade die Tagesthemen verlesen und der die jederzeitige atomare Verdampfung erwartenden Nation eine angenehme Nacht gewünscht.
    »Herr Knauff«, unterbrach ich ihn mitten im Lamento, »ich rufe Sie so spät noch an, weil ich gute Nachrichten habe. Wir beide, Sie und ich, werden morgen die Falle zuschnappen lassen. Ich habe die Daten, die Uhrzeiten und auch das Schema der Orte entschlüsselt. Um 19 Uhr morgen Abend werden wir, wenn es nicht mit dem Teufel zugeht, eine Verhaftung vornehmen und den Albtraum beenden. Verlassen Sie sich auf mich.«
    Deliah erschien in der Haustür und zog ein strenges Gesicht, als sie mich außerhalb des Bettes erwischte.
    »Ich bin morgen Abend gegen sechs in Ihrem Büro«, brachte ich das Gespräch zu Ende, »Sie werden überrascht sein.«
    Das würde den morgigen Tag zu einem richtigen Bündel von Stress schnüren, und nicht zuletzt deshalb ließ ich mich nur zu gerne betten.
    »Als du heute Mittag die Katze gestreichelt hast«, murmelte ich, während Deliah mich zudeckte, »bin ich beinahe etwas neidisch geworden.«
    »So?«, fragte sie ahnungslos und blickte unschuldig, also ging ich ein bisschen ins Detail.
    »Ach«, machte sie und nickte verstehend, während sie mir das Kissen aufschüttelte. »Ja, jetzt verstehe ich. Klar.«
    Routiniert steckte sie das Laken fest. »Doch das ist natürlich schade. Wenn du nur auch einen .« Sie stutzte. Über meine Mitte gebeugt, praktisch fertig mit Lakenfeststecken. Nachdenklich legte sie einen Finger auf ihren keisrunden Mund. ». hättest .« fuhr sie fort. Und unsere Blicke trafen sich.

Kapitel 5
    »Meinst du nicht, das fällt auf?«
    Ich klebte gerade, unter Charlys kritischen Blicken, >sa-Tan antennenservice<, gefolgt von einer aus dem Buch abgeschriebenen Telefonnummer, nacheinander auf die beiden Türen des Transporters und fühlte mich gut dabei. Es war ein kalter, aber klarer, sonniger Morgen, das Fieber schien weg, und ich hatte gepennt wie ein Klotz. Wie immer, wenn der Schmerz nachlässt, sich eine Depression verflüchtigt oder sonst ein Ungemach von mir abfällt, juckte es mich förmlich vor Tatendrang.
    Nichts macht mich kränker, als krank zu Hause

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