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Der Willy ist weg

Der Willy ist weg

Titel: Der Willy ist weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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rumzuhocken. Der heutige Tag würde eine ganze Menge Risiken mit sich bringen, doch alles war besser als Grippe, wie ich fand. (Na, möglicherweise war das Fieber doch noch nicht ganz wieder abgeklungen.)
    »Merkt kein Arsch«, sagte ich und beklebte, sei's drum, auch die Heckklappe noch mit >saTan< und Nummer. »Lies lieber noch mal den exakten Zeitplan vor.«
    Charly schnaubte: »Was gibt's da vorzulesen?«, zog aber doch brav einen Zettel aus der Tasche. »Also: Der Mann ist ein Uhrwerk. Er geht morgens um sieben Minuten vor neun aus dem Haus, läuft die sieben Minuten in sein Büro, kommt mittags um sieben nach eins nach Hause zurück, bleibt bis sieben vor drei und macht um Schlag fünf Feierabend. Falls er anschließend keine Einkäufe zu tätigen hat, sollte er somit um ziemlich genau sieben nach fünf wieder zu Hause sein.«
    »Und was ist mit ...«
    »Ich bin noch nicht fertig. Die Haushälterin kommt um acht und geht wieder gegen zehn. Morgens. Sonstige Aktivitäten in und um das Haus wurden nicht beobachtet. Nachbarn mit Kindern zur Linken, Nachbarn mit Hausangestellten zur Rechten, Nachbarn, die offenbar verreist sind, gegenüber.«
    »Fein«, sagte ich und sah auf die Uhr. »Dann kann es ja gleich losgehen.«
    »Hast du dich entschieden, wen du mitnimmst?«
    »Ja. Poppel.«
    »Poppel? Wieso gerade Poppel?«
    »Erstens, weil er mit 'nem Schneidbrenner umgehen kann.« Eine etwas dürftige Begründung in einer Gang, deren Kern sich aus der Crew von Charly und Heiko Zimmermanns alter Abrissfirma rekrutiert hatte.
    »Brennen? Brennen kann ich auch.« Und passend zur dürftigen Begründung eine lahme Entgegnung. Na ja, es war noch recht früh am Morgen.
    Ich hatte ihm schon zweimal gesagt, dass ich ihn unter keinen Umständen mit dabeihaben wollte, und auch warum, doch Charly klang immer noch beleidigt über den Umstand. »Und zweitens?«, fragte er, nachdem ich seine Entgegnung unkommentiert ließ.
    »Zweitens, weil er ein Arschloch ist.«
    Einen kleinen Moment später nickte er. »Du machst dir also Sorgen?«
    »Nein, ich fühle mich leicht und beschwingt und habe fest vor, dieses Gefühl über den Tag zu retten, aber du weißt, wie es ist.«
    Und wieder nickte er.
    Wenn man etwas beginnt, das in der Folge schief gehen kann, und man hat die Wahl - wen nimmt man dann mit: Seinen besten Kumpel, um ihn fett mit reinzuziehen, oder aber einen Heini, den weder man selber noch sonst wer schmerzlich vermissen würde?
    »Und falls sie mich busten, musst du weitermachen und Willy finden. Den andern traue ich's nicht zu.«
    Er nickte und verzog sich mit sorgenvollem Gesicht.
    Vierzehn Mo-<, hob es an, doch ich zog rasch den Stecker raus.
    »Hier«, sagte ich zu Poppel, »schlüpf mal rein.«
    Der Gesichtsausdruck alleine war es wert, ihn und keinen anderen ausgesucht zu haben.
    In dem gleichen Laden für Werkzeug und Installationsbedarf, wo ich unter anderem auch die Klebebuchstaben und -zahlen fürs Auto erworben hatte, waren mir quasi beim Rausgehen noch diese zwei wirklich eleganten, in vornehmem Grau gehaltenen, Autorität und Fachwissen verströmenden Arbeitskittel in die Hände gefallen.
    »Frisch gestärkt«, sagte ich und half ihm in den Ärmel, »damit wirst du aussehen wie ein Musterbeispiel von einem deutschen Handwerker, auf den daheim in der Reihenhaushälfte die Mutti und die drei Kinderchen warten.« Ich zupfte ein bisschen an ihm herum, machte oben einen Knopf mehr zu, als nötig und bequem war, wischte einen Fussel von seiner Schulter. Ich wusste, ich riskierte einen Hieb, einen Kick, doch wenn ich etwas vorhabe, vor dem ich mich innerlich fürchte, neige ich dazu, das mit Albernheiten zu überspielen.
    »Nur die Haare musst du dir zusammenbinden und irgendeine Mütze aufsetzen, doch ansonsten: perfekt.«
    Ich strahlte ihn an und senkte dann den Blick. »Nein, doch noch nicht ganz.« Ich wies zum Haus. »Jeans und Turnschuhe«, sagte ich. Und nicht Lederpatchworkhosen mit Fransen an der Naht und Alligator-Cowboystiefel mit aufgesetzter Stahlkappe vorne und angeschnallten Sporen hinten. Poppel ritt eine 500er Royal Enfield Bullett, und ohne regelmäßig die Sporen zu kriegen würde der rappelige Einzylinder vermutlich überhaupt nicht aus dem Quark kommen.
    Ein Blick auf die Uhr. Es wurde Zeit.
    Langsam und konzentriert umrundete ich den Transporter ein letztes Mal. Vorderes Kennzeichen von einem schon lange verschrotteten Hanomag, hinteres Kennzeichen von einer an die Versicherung verkauften Honda,

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