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Der Willy ist weg

Der Willy ist weg

Titel: Der Willy ist weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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erwarteten staubigen, nicht ausgebauten, mit allerlei häuslichem Strandgut voll gestellten Spitzboden. Vorsichtig, um mir den neuen Kittel nicht zu zerreißen, tauchte ich zwischen zwei Dachlatten hindurch und wurschtelte mich auf Limbo-Tänzer-Art hinein in das ganze Gerümpel.
    Irgendwo musste doch - da war sie. Eine Einschubtreppe. Es gab ein ziemliches Getöse, als ich sie entriegelte und nach unten fallen ließ, doch es war ja niemand im Haus, und wir als Handwerker konnten selbstverständlich so viel Krach machen, wie wir wollten. Entschlossen stieg ich hinab in den Flur der ersten Etage, sah mich um, und aus einer Ecke knapp unterhalb der Decke blinzelte mir das freundliche Albinoauge eines Infrarot-Bewegungsmelders zu.
    Ajeh.
    Ich stand einen Moment lang steif und wartete darauf, von draußen ein winselndes Jaulen hereinschallen zu hören, doch alles blieb still.
    Ajeh. Noch schlimmer.
    Die Haustür war natürlich zweimal verschlossen, doch am Schlüsselbrettchen hing natürlich ein Ersatzschlüssel, und damit schloss ich hastig auf und zog genauso hastig Poppel und die Werkzeugkoffer hinein, bevor ich die Türe wieder zudrückte.
    »Du durchsuchft«, fing ich an, brach ab und nahm die Zähne heraus, »du durchsuchst den Keller. Merk dir alles, was abgeschlossen ist, sei es ein Schrank, eine Kiste, eine Türe. Und beeil dich, aber fass um Gottes Willen nichts an, hörst du? Wir dürfen unter keinen Umständen Spuren hinterlassen. Hast du dir die Schuhe abgeputzt? Handschuhe an? Dann los! Und, ach so - sollte es an der Türe klingeln, sollte das Telefon gehen, lass dich nicht stören, sondern überlaff ef mir!« Bei den letzten Worten hatte ich mir die Zähne wieder reingeschoben, wie man vielleicht gemerkt hat.
    Poppel schob ab, die Kellertreppe hinunter, während ich in der Diele stehen blieb, rasend nervös und lampenfiebrig, in gespannter Erwartung des Klingelns von Türglocke oder Telefon. Gott, was lief mir die Nase! Der Ärmel meines Kittels war schon ganz kletschig vor Rotz.
    Ding-dong! Scheiße, Scheiße, Scheiße!
    Ich holte einmal tief Luft, dann zog ich die Haustür ein ordentliches, nichts verbergendes Stück weit auf, sagte »Ja, bitte?« und suchte gleichzeitig im Kopf nach Formulierungen, die ohne >s< oder >sch< auskamen. >Was gibt's?< schied direkt schon mal aus.
    »Kann ich Ihnen helfen?«, fragte ich die beiden Zivilbullen, von denen einer seine Dienstpistole umklammert hielt, und schiss mir fast in die Hose. Den hinteren, jüngeren, den mit dem Gesicht eines Möchtegern-Schlagersängers und der passenden, topmodischen Vokuhila-Frisur, den mit dem nervösen Klammergriff um seine Waffe, sah ich zum ersten Mal. Der war auch nicht der Grund für die plötzlichen Kontraktionen meines Schließmuskels. Sondern der vordere, ältere. Der mit dem Wanst. Der mit dem Zinken. Der mit dem Kinn. Der mit dem zentimeterkurz geschnittenen, senfgelben Haar, so drahtig, dass man einen Amboss drauf hätte abstellen können. Den kannte ich, nur zu gut. Kommissar Baer. (Nein, ich werde nicht hingehen und seinen Spitznamen verraten. Auch Polizeibeamte haben ein Recht auf Privatsphäre.)
    »Polizei. Wir wurden über Funk davon in Kenntnis gesetzt, dass in diesem Haus ein stiller Alarm ausgelöst wurde, und müssen uns nun davon überzeugen, dass hier alles in Ordnung ist.« Und schon war er drin im Haus, der Kommissar, Schweinsaugen überall. Er und ein Kollege von ihm hatten mich mal, als ich noch klein war, auf einer frisierten und, wie sich später herausstellen sollte, leider obendrein als gestohlen gemeldeten Kreidler Florett erwischt. Die beiden haben mich dann im Keller des Präsidiums nicht übel durchgelassen, weil sie es gerne gehabt hätten, dass ich insgesamt 37 andere Mopeddiebstähle aus der Zeit gestand. (Ich war aber nur für höchstens zehn oder zwölf verantwortlich und beteuerte deshalb auch unter Schlägen weiterhin meine komplette Unschuld.)
    Es war klar, dass er mich nicht erkannte, doch unklar, ob das auch so bliebe.
    »Wie konnte das passieren?«, fragte er und sah mich bohrend an. Wie warm so eine Perücke ist, dachte ich irritiert und siebte mein Vokabular, um nur ja keinen Argwohn in Bezug auf die Echtheit meiner Zähne zu wecken. >Z< und >tz<, fiel mir auf, mussten ebenfalls umschifft werden. Eijeijei.
    »Mein Mitarbeiter«, sagte ich, mit einer Kopfbewegung Richtung Kellertüre, hinter der man Türenschlagen hören konnte. »Unerfahren«, fügte ich hinzu. Kann man überhaupt Sätze

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