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Der Willy ist weg

Der Willy ist weg

Titel: Der Willy ist weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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durch das Erdgeschoss, öffnete Türen, spähte hindurch, schloss sie wieder. Der Rücken meines Kittels war nass, durchgeweicht, aber die Dachpfannen waren zurück an Ort und Stelle, die Leitern abgeräumt. Uns blieb etwas über eineinviertel Stunde, und das war bei Gott nicht viel.
    »Hier drin war ich auch schon. Alles voll Bücher. Was suchst du? Sollen wir nicht langsam mal verduften? Ehe die Bullen zurückkommen?«
    »Nein«, sagte ich, obwohl das nicht alle Fragen beantwortete. Ich suchte, um es kurz zu machen, tragende Wände. Fürs erste.
    Roth-Bichlers Haus hatte einen T-förmigen Grundriss, und die beiden Außenwände des, wenn man so will, senkrechten Pfeilers setzten sich, wie ich feststellen durfte, durch den >Querbalken< fort. Ich suchte tragende Wände und öffnete dazu Türen, weil tragende Wände dicker sind als normale Zimmerwände und man das an den breiteren Türzargen erkennen kann. Und das, was ich eigentlich suchte, braucht aufgrund seiner Einbautiefe dickes Mauerwerk.
    Den zentralen Raum des, in Ermangelung eines besseren Wortes, Querbalkens bildete ein Kaminzimmer, von dem rechter Hand die Tür zu einer Abstellkammer abging, gefolgt von der Garage, und linker Hand, mit einem großzügigen Durchbruch anstelle einer Türe, eine Art Wintergarten. Eingetopftes Grünzeug ohne jedes Interesse.
    Rechts, an der Wand zur Abstellkammer, hing ein mittelgroßer Ölschinken. Vater, Großvater oder Urgroßvater Roth-Bichler in Reitmontur, mit herrischer Miene einen gesattelten, ihm freundlich über die Schulter blickenden Gaul an einer Strippe festhaltend. Ich gaffte es eine ganze Weile an, ohne sagen zu können, warum. Dann erst lupfte ich den Rahmen und spähte dahinter. Also! Mit einem kleinen Ruck hob ich das Bild vom Nagel, und Poppel pfiff durch die Zähne. Wandsafe, altehrwürdig, mittelgroß. Ein Griff für die Verriegelung und ein Drehrad, für die Zahlenkombination. Zwei rechts, zwei links, einen fallen lassen.
    »Soll ich den Brenner holen?«, fragte Poppel.
    Erst mal probierte ich den Griff. Alles schon dagewesen. Ja, ich kenne Leute, die haben einen aufgebrannt, einen Safe, obwohl er gar nicht abgesperrt gewesen war.
    Doch das Ding hier war zu, fest verschlossen.
    Und sich dabei erwischen lassen.
    Ich kenne die dollsten Leute, will mir manchmal scheinen.
    »Ach was«, antwortete ich und ließ meine verschränkten Finger knacken. »Das ist ein 8-88er von Dührmann und Lau mit Planetengetriebe. Für dieses Baby brauche ich nichts als ein Stethoskop, ein bisschen Nähmaschinenöl und vielleicht viereinhalb Minuten Zeit.«
    Wie viele Jahre kannte ich ihn jetzt? Und in all der Zeit war es das erste Mal, dass er mir einen Blick schenkte, aus dem ich Achtung, Respekt, ja vielleicht sogar einen Hauch von Bewunderung herauslesen konnte.
    »Echt?«, fragte er, Mund offen wie zum Fliegenfangen.
    »Haben wir denn ein Stethoskop dabei?«
    »Blödsinn«, holte ich ihn auf den Boden zurück. »Geh und bring mir den Eimer mit dem Maurerwerkzeug. Und beeil dich.«
    Auf der anderen Seite der Mauer, in der Rumpelkammer, Rücken an Rücken mit dem Safe also, war Brennholz bis fast unter die Decke gestapelt. Ich hätte weinen können vor Freude. Manchmal hat selbst Fortuna, dieses launische alte Aas, einen guten Tag. Muss mit ihren Hormonen zusammenhängen. In rasender Hast trug ich Schicht um Schicht ab und feuerte die Klötze in eine Ecke. Blickte auf die Uhr. Keine Stunde mehr.
    Poppel erschien im Laufschritt.
    »Mess mal den Abstand von der Türe zum Safe.«
    »Ein Meter zwanzig«, kam die Antwort, zusammen mit dem Zollstock.
    Ein Meter zwanzig, maß ich ab, ritzte mir ein Zeichen, schnappte mir einen Maurerhammer und trieb ihn mit der Spitze in den Putz links von meiner Markierung. Schon in einer Tiefe von gerade mal einer halben Daumenbreite stieß ich auf metallenen Widerstand.
    »Flachmeißel, Fäustel.«
    Zehn Minuten später stand ich da, weiß bemehlt von Kopf bis Fuß, und hatte die komplette Rückwand des Safes freigelegt. Während Poppel die Putzreste zusammenkratzte, in Eimer füllte und zum Auto trug, griff ich mir den extrabreiten, scharfen Karosseriemeißel, packte den Fäustel, als wollte ich ihn würgen, und atmete einmal tief durch. Holte aus, ließ den Hammer wieder sacken und wischte mir erst mal den Schweiß aus den Augen. Mir war heiß, gottverdammt heiß.
    »Alles in Ordnung mit dir?«
    »Wunderbar.« Jetzt hieß es entweder - oder.
    Ein wuchtiger Schlag, und der Meißel drang durch die

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