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Der Willy ist weg

Der Willy ist weg

Titel: Der Willy ist weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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Rückwand wie der Öffner durch den Dosendeckel. Stahlblech. Wie so oft. Mit gut drei Millimetern um das rund Zehnfache dicker als das von einer Dose Linsensuppe, aber immer noch nichts als Blech.
    Schon manches Mal habe ich mich gefragt, was die Safehersteller eigentlich meinen, wen sie hier verarschen können. Und ich bin auf eine Antwort gekommen: Es sind ihre Kunden, fürchte ich.
    Poppel entwickelte ungeahnte häusliche Qualitäten. Ich sah ihn mit Handfeger und Kehrblech, ich sah ihn mit einem Wischmopp, ich sah ihn mit dem Schlauch eines Staubsaugers in der Hand. Und jedes Mal, wenn ich ihn sah, fragte er: »Geht's?«
    Um - war das zu glauben? - sieben Minuten vor eins hatte ich die Rückwand endlich herausgestochen. Schon so spät? Ich war vollkommen außer Atem. Meine Knie schwangen wie die Zinken einer Stimmgabel. Weiße, leuchtende Pünktchen wanderten von rechts nach links durch mein Sichtfeld. Wenn der Safe jetzt leer gewesen wäre, ich glaube, ich hätte mich an Ort und Stelle entleibt.
    Poppels Blick war der einer Mutter, die sich um ihr einziges Kind sorgt. Er hielt einen großen Postsack auf, wartend. Hastig zog ich die Beute aus dem Safe und ließ sie in den Sack fallen. Es war unmöglich, zu sagen, was es war, außer, dass es sich um Aktenordner, Schnellhefter und ähnlichen Kram handelte. Nichts, um eine Euphorie auszulösen. Kein Bargeld, schon mal, keine Goldbarren, kein Leinensäckchen voll glitzernder Steinchen. Nur blöde Akten. Nur Papier. Doch irgendeinen Wert mussten sie haben, irgendein Geheimnis mussten sie bergen, sonst hätte man sie anderswo gelagert. Obwohl, ich habe auch schon von Geldschränken gehört, in denen nichts als 'ne angebissene Käsesemmel gefunden worden war. Aber was hört man nicht alles ...
    Poppel begann schon, den Holzstapel wieder hochzuziehen, während ich noch eben ein paar Eichenspäne von innen in den Spalt der Safetüre trieb, bis sie auszusehen begannen wie Blumenkohlköpfe. Diesen Safe, das war mal sicher, würde so bald niemand mehr öffnen. Nicht von vorne, zumindest.
    Brennholz an Ort und Stelle, Postsack im Wagen, Zündschlüssel mit fliegenden Fingern ins Schloss gefummelt, und wir hatten drei Minuten nach eins.
    Zitterte ich? Wieso zitterte ich so?
    »Haft du den Ftaubwauger wieder weggeräumt?«
    Wir rollten die Bleichstraße hinunter, und ich musste mich zwingen, nicht mit beiden Füßen auf das Gas zu latschen.
    »Ja, hab ich.«
    »Die Einfubtreppe! Heilige Pfeiffe, die Einfubtreppe!«
    Ich raufte mir das geborgte Haar.
    »Ist wieder zu. Alles ist so, wie es vorher war.«
    Ich setzte den Blinker, bog in die Wertgasse ab und zuckte zusammen, als uns Roth-Bichler entgegenkam, Schirm in der Hand, Aktentasche unterm Arm, Miene und Haltung eines Mannes, der davon überzeugt ist, sich seine Mittagspause redlich verdient zu haben. Noch einmal abgebogen, und er verschwand aus meinem Blickfeld, und ich wollte schon aufatmen, als mir, mit glühender Hitze, der Ersatzschlüssel zu seinem Haus ein Loch in die Hosentasche brannte. Bildlich gesprochen.
    Ich erwachte mit einem Niesen, das knallte wie ein Peitschenhieb, als der verschleuderte Rotz die Schallmauer durchbrach. Die Katze war mit einem Satz bei der Türe, sah mich kurz an wie einen Mörder und verschwand. Irgendjemand hatte die blöde Türe nicht richtig zugemacht. Möglich, dass ich es selbst gewesen war, doch das änderte nichts an meinem Vorhaben, Deliah damit zu beschuldigen. »Du gehst sofort wieder ins Bett!«, hatte sie kommandiert, kaum dass ich ins Haus gekommen war. Nun gut, hatte ich gedacht, vielleicht für ein Viertelstündchen. Das war jetzt - Blick auf die Uhr -mehr als drei Stunden her. Schlafen schien zu nützen, denn ich fühlte mich besser, wenn auch die Nase juckte, dass man zu Schmirgel greifen wollte.
    Vor mir, auf dem Oberbett, über meinem Bauch, war eine flache Mulde, umkränzt von kurzen, feinen, schwarzen Haaren. Ich nieste noch mal und sie waren fort, flirrten durch die Lüfte. Ich nieste noch mal und war in keiner üblen Laune zum Töten.
    Die richtige Einstimmung für das kommende Vorhaben.
    Unter der Dusche ging ich im Geiste alles noch mal durch. Die Orte, die Daten, die Zeiten. Checkte wieder und wieder meine Schlussfolgerungen. Ich würde Pit Bull mitnehmen, weil er spurtstark und schnell ist, und D.O., weil er D.O. ist. Groß, hart, mies. Doch, ich hatte ein gutes Gefühl. Eigentlich dürfte nichts schief gehen.
    Von Willys Entführern kein Mucks. Nervenkrieg. Es

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