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Der Willy ist weg

Der Willy ist weg

Titel: Der Willy ist weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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Transporter genau so postiert war und nicht anders (der Mann zahlte meine Rechnungen und sollte ruhig mitbekommen, wie viel gedankliche Leistung hinter all meinen Maßnahmen steckte), dann schob ich ihn rasch und unauffällig durch die Schiebetüre in den Wagen. Und verlor ihn kurz außer Sicht. Pit Bull hatte offensichtlich gemeint, noch kurz eben einen Bong wegziehen zu müssen. Ich befürchtete schon Klagen von meinem amerikanophilen Kunden, doch Ragobert wedelte nur mit mühsam unterdrücktem Husten den Qualm beiseite und machte sich dann flüsternd mit den beiden bekannt. Rauchen schien ihm, unter den angespannten Verhältnissen, ein adäquates männliches Verhalten zu sein.
    Ich sah auf die Uhr. Es war kurz vor sechs.
    Erst mal passierte nicht viel. Wir hockten schweigend und beengt auf Kisten, starrten gespannt nach draußen. Jäger in Lauerstellung. Eine Übung in Geduld und Konzentration.
    Ein alter Mann mit einem Dackel zockelte durchs Bild, ein Rennradfahrer surrte vorbei, eine Mutter schob einen Buggy, zwei Schulmädchen trugen Schultaschen, eine schwarze Katze schlich sich über die Wiese. Vier Paar Argusaugen verfolgten jede Bewegung.
    Ich weiß nicht, was es war, aber der Anblick der Katze genügte, mich in ein Niesen zu jagen, das den Transporter einen Satz in die Luft machen ließ. Meine drei Mitstreiter sahen mich erschreckt, ja entsetzt an, und ich entschuldigte mich leise, >Ich werd doch wohl nicht zum Allergiker    Eine leichte Brise kam auf, und die Figur wobbelte hin und her und wieder hin, soweit es die Drahtseile zuließen.
    »Womit haben Sie ihn eigentlich gefüllt?«, fragte ich.
    »Pressluft. Dadurch, dass wir ihn von innen illuminieren wollten, mussten alle farbigen Segmente aus durchgefärbtem Material bestehen, die dann von Hand zusammengenäht wurden. Sündteuer. Und die vielen Nadelstiche machen die ganze Sache leider ziemlich porös. Wir haben ihn deshalb ständig an eine Pressluftflasche angeschlossen, mit einem Druckregulierungsventil dazwischen. Warum fragen Sie?«
    »Er kommt mir ein bisschen leichtfüßig vor. Mir graute ganz kurz vor einem weiteren Flugkörper.«
    »Nein, nein, nein!« Ragobert lachte unfroh. »So was passiert uns nicht noch mal, da können Sie sicher sein!«
    Halb sieben und immer noch nichts. Ich hatte, um nicht die ganze Zeit diesen verfluchten, immerzu grinsenden, wobbelnden Clown anstarren zu müssen, mein Augenmerk auf die Büsche in seinem Rücken gerichtet und nach verdächtigen Bewegungen Ausschau gehalten. Jetzt wurde es langsam ein bisschen zu dunkel dafür.
    »Wie machen Sie eigentlich die Beleuchtung an?«, fragte ich. »Zeitschalter?«
    »Ha! Damit irgendjemand daran herummanipuliert? Wohl kaum. Ich habe das hier.« Er kramte in seiner Manteltasche und brachte ein abgerundetes, schwarzes kleines Ding zum Vorschein, in etwa so groß wie ein Feuerzeug.
    »Remote Control«, sagte er stolz. »Von Texas Instruments. Soll ich einschalten?« Und er richtete das Ding auf die Figur, und ich wollte, einem Impuls folgend, noch rasch etwas einwenden, einen winzigen Moment des Aufschubs erreichen, nur noch einmal ganz kurz darüber nachdenken, ob das jetzt das Richtige sei, da hatte er schon den Knopf gedrückt, und Ragobert McDagobert erwachte zum Leben. Er wurde hell. Sehr hell. Grell, geradezu. Und er schwoll an. Es blähte ihn. Kurz, aber kräftig. Er wurde grell hell und furchtbar feist und dann machte es PAU!! wie Gottes eigene Brötchentüte, und der aus durchgefärbten Einzelteilen zusammengenähte und von innen illuminierte, aufgeblasene Clown flog uns in tausend Fetzen um die Ohren.
    Einen Wimpernschlag lang saßen wir still, beobachteten das Aufsteigen und Vergehen einer mächtigen Feuersäule, gefolgt vom Herabregnen flatternder Fragmente, dann brachen sich Flüche Bahn.
    Ich selber äußerte, wenn ich mich recht erinnere, die nicht weiter spezifizierte oder personifizierte Aufforderung, mir mit der Zunge über das Gesäß zu fahren.
    Pit Bull beschwor, meine ich, den sakrosankten Stuhl. D.O. bezog sich stattdessen auf sein Antlitz. Edwin Knauff schwieg.
    »Ja leck mich doch am Arsch!«, brüllte ich, außer mir. »Ach du heilige Scheiße!«, rief Pit Bull. »Meine Fresse!«, entfuhr es D.O.
    Edwin Knauff sagte nichts. Er saß da, die Fernbedienung immer noch auf die Stelle gerichtet, wo bis vor wenigen Sekunden noch die grinsende Clownsfigur vor sich hingewobbelt hatte, und schwieg das Schweigen eines von seinem eigenen

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