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Der Willy ist weg

Der Willy ist weg

Titel: Der Willy ist weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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Nervenkostüm zur Strecke Gebrachten.
    Dann stieß einer die Türe auf, und wir stürmten alle ins Freie. Bis auf meinen Auftraggeber. Der schlafwandelte eher ins Freie, taumelte, wo wir rannten. Recht hatte er. Viel zu sehen gab es eh nicht. Ein etwa sonnenschirmgroßer, runder, schwarzer, leicht qualmender Fleck in der Wiese, ein Stück Schlauch, aus dem eine kleine, gelbe Flamme züngelte, verbunden mit einer Druckarmatur, die am Kopfende einer grauen, im Gras liegenden Stahlflasche saß. Ich schraubte den Verschluss zu, und das Flämmchen verlöschte, dann drehte ich die Flasche zur Seite, bis die Aufschrift >BUTAN< sichtbar wurde. Jetzt war alles klar.
    »Dieser Verbrecher hat die Pressluftflasche gegen eine Gasflasche getauscht«, erklärte ich den Umstehenden, bestehend aus den üblichen, aus dem Nichts aufgetauchten Schaulustigen, meinen beiden Gangbrüdern und meinem Kunden, der, Blick und Fernbedienung auf einen Punkt irgendwo in weiter Ferne gerichtet, mitten auf dem schwarzen Fleck stand und einer wundervollen Musik zu lauschen schien, die nur er alleine wahrzunehmen in der Lage war.
    »Damit wurde, in gleichem Maße, in der Luft durch die Nähte entwich, brennbares Gas in die Figur gepresst, bis ein zündfähiges Gemisch entstand, das dann, ausgelöst durch einen elektrischen Funken beim Einschalten der Beleuchtung, detonierte.«
    Hätte ich Rilke vorgetragen, Edwin Knauff hätte nicht entrückter dreinblicken können.
    Hoffentlich bekrabbelt er sich bald wieder, dachte ich. Ich hab noch eine Rechnung in der Post.
    Schlaf. Aah, Schlaf! Er wollte nicht kommen. Nicht zu mir, jedenfalls. Deliah suhlte sich geradezu darin, sie pofte tief und fest und plagte sich nicht mit Ängsten, Beklemmungen, Schweißausbrüchen. Sie schnarchte sogar leicht.
    In ein paar Tagen war bei McDagobert's Eröffnung, und noch pumpten sie Herrn Knauff voll Psychopharmaka, doch schon morgen würde ich mir von ihm was anhören müssen.
    Mir graute vor dem morgigen Tag, ich fühlte mich machtlos. Alles schien mir zu entgleiten.
    Mit Willy gab es kein Vorankommen, wir traten auf der Stelle, und die Entführer verhöhnten uns noch dazu.
    Außerdem wurde ich wieder von meinen berühmten Vorahnungen geschüttelt. Ich konnte mich drehen, wie ich wollte, überall sah ich diesen Kommissar Menden lauern. Sein Blick sagte mir: >Der kleinste Fehler, und ich nehm dich hopps!< Und der Grundton meiner Vorahnungen war, dass ich diesen Fehler bereits begangen hatte und jetzt, in diesem Augenblick, anstatt mich auf dem feuchten Laken zu wälzen und nach Schlaf zu lechzen, schon längst dabei sein sollte, energisch gegenzusteuern, wollte ich mich Mendens Zugriff noch entziehen.
    Seltsam, aber an Kommissar Baer verschwendete ich kaum einen Gedanken.
    Irgendwie nicht meine Kragenweite, nicht meine Liga, nicht meine Hubraumklasse, der Typ. Was immer der Fehler sein mochte, den ich begangen zu haben ahnte, Baer würde nicht darauf kommen. Sondern - und schwupps, da war er wieder - Menden.
    Als das Telefon ging, stand ich auf, zog mir was über, schlich mich davon. Schon beim Öffnen der Türe wischte mir die Katze zwischen den Beinen hindurch ins Zimmer und versteckte sich unter dem Bett. Luder, verdammtes. Mich immer mal wieder an der Wand abstützend, nieste ich mich den Flur hinunter.
    Es waren die Externen. Wegen schlechten Wetters auf Ibiza hatten sie kurzfristig umgebucht und befanden sich jetzt auf Gran Canaria.
    Noch zwei Flugstunden weiter weg, dachte ich, wenig begeistert.
    Bombenwetter hieß es, 28° im Schatten und keine Wolke am Himmel.
    Ich machte »hm«.
    Der Schlingernde Horst war mit der Mietvespa ins Hafenbecken von Las Palmas gerauscht und hatte rausgefischt und aufwendig reanimiert werden müssen; fuhr aber schon wieder.
    »Ah«, sagte ich.
    Der rein vegetarische Mattes hatte vier Liter Sangria getrunken, mit Obsteinlage und allem. Und komplett wieder ausgekotzt. Spektakulär. Alle hatten Sonnenbrand.
    »Soso«, brummte ich.
    Ein Hotel weiter hatte das schwedische Nationalkader für Rhythmische Sportgymnastik sein WinterTrainingslager aufgeschlagen. Und ah, wenn ich was zu schreiben hätte, hier war die Nummer, unter der sie zu erreichen waren.
    Ich notierte und hängte wortlos ein. War ich ein bisschen neidisch? Ein bisschen?
    Scuzzi war noch auf. Er hockte auf seinem Bett, hielt einen kleinen Flitzer zwischen spitzen Fingern und starrte nachdenklich auf den großen Halbkreisbogen aufgefächerter Papiere zu seinen Füßen. Als ich

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