Der Willy ist weg
beleidigten Blick über sein Gelände schweifen, begleitet von einer weiträumigen >Such-dir-was-aus<-Geste.
Ich folgte Blick und Geste und sah Autos, die auf den Dächern anderer Autos parkten, Autos ohne Räder, ohne Motoren, Getriebe, Inneneinrichtungen. Ich sah Autos, die ihre Karriere mit mehreren Rittbergern beendet hatten, Autos, die ein Raub der Flammen geworden waren, Autos, die Betonpfeiler oder den Gegenverkehr umarmt hatten, plus einen Lieferwagen, der zur denkbar ungünstigsten Zeit einen Bahnübergang gequert hatte.
»Heiner«, präzisierte Scuzzi, rauchend, fröstelnd, »ich glaube, Kristof meint etwas, das sich aus eigenem Antrieb bewegt, und nicht nur mit 'nem Schubs die Rampe in den Schredder hinunter.«
Ja, da müssten wir mal kucken, fand Heiner und nahm uns mit auf einen Rundgang über seinen Platz und hinein in die beginnende Dämmerung, Heiners Wangen rot und unser Atem weiß im trockenen Ostwind.
Schrott, Schrott, Schrott, wohin ich auch blickte. Kompletter Schrott jenseits aller noch so niedrig gesteckten Erwartungen.
Heiners Sicht, musste ich feststellen, differierte in irritierendem Maße von der meinen.
»Da drüben, der Rekord, Heckschaden, sicher, aber noch zu reparieren, und der Motor hat erst achtzigtausend gelaufen.« Er deutete auf einen Opel mit einem Kofferraum wie eine sich aufdrängende Gelegenheit, das Wort >Faltenbalg< einmal anders als im Kontext reiferer Weiblichkeit zur Anwendung zu bringen.
»Und hier, der Kadett, was wäre damit? Bräuchte 'nen neuen Kopf, aber den geb ich dir dabei.«
Ich lüftete die Haube, und vier schwarze Kolbenböden gähnten mir aus den unterschiedlichen Tiefen ihrer rostroten Laufbuchsen entgegen.
»Kein Opel, heute, Heiner«, entschied ich und ließ die Haube wieder zufallen.
»Tja, dann könnte ich dir noch den CX da vorne anbieten, hat zwar keinen TÜV mehr, aber ...«
»Und keinen Citroen, Heiner.«
»Wieso nicht?«, wollte Scuzzi wissen, und ich schenkte ihm diesen bestimmten, eigentlich für musikalische Fragen reservierten Augenausdruck als Antwort.
»Ja, ich weiß, die Autos machen Probleme«, gab Heiner zu, »doch wenn man einen an der Hand hat, der sich nur ein bisschen damit auskennt, dann .«
»Genau«, fand Scuzzi. »Sind doch scharfe Autos.«
»Keinen Citroen, Heiner.«
»Sieh mal der GS hier, gutes Beispiel, da ist nix dran bis auf einen minimalen Defekt an der Hydraulik .«
»Definitiv keinen Citroen, Heiner.«
»Du hast ja noch nicht mal einen Blick drauf geworfen«, protestierte Scuzzi.
»Na, hast ja Recht, Kristof. Aber sonst ist nicht viel, fürchte ich, im Moment. Wärste mal gestern gekommen, da hatte ich noch 'nen astreinen Käfer hier, nur vier Vorbesitzer, mit Schiebedach sogar .«
»Was ist denn mit dem roten da drüben?«
»Ach, Kristof, ich weiß nicht. Japaner. Das taugt nichts, wenn du mich fragst. Kuck nur, wie die rosten.« Er hatte Recht: Der Wagen sah aus, als ob er die letzten zwei Jahre bis zur Hüfte in Salzlake geparkt hätte. Aber als ich nachzählte, kam ich auf vier Räder, eins mehr als der Durchschnitt der anderen Aspiranten hier. »Dann weiß ich nicht, wie das mit der Zuverlässigkeit ist. Nimm, zum Beispiel, den VW, der läuft und läuft und .«
Die Fahrertüre war nicht abgeschlossen, und als ich mich reinsetzte, steckte der Schlüssel im Zündschloss. Der Lenkradkranz bestand aus feinstem Holzimitat, und der Schaltknauf sogar aus Echtholz. Es sind die Details, sage ich immer, die Feinheiten, die die Autos verkaufen.
»Toyota Carina«, las Scuzzi von der hinteren Haube ab, »mal im Ernst: Wer fährt denn so was. Nur Prolltypen, wenn du mich fragst. Und durch die Rostlöcher könnte man eine Mütze werfen.«
»Oder mit Ersatzteilen. Sicher, die ersten fragen nach, also werde ich mir mal ein paar ins Lager legen, aber trotzdem, dieser japanische Kram wird sich nicht durchsetzen, so was ist doch nichts gegen einen VW, Kristof.«
Ich drehte den Zündschlüssel, und der Motor sprang mit dem heiseren Röhren eines ins Plusquamperfekt übergegangenen Endschalldämpfers an.
»Gekauft«, strahlte ich.
Ich hatte Scuzzi abgesetzt und war alleine nach Breitscheid gefahren. Weil der Schwede das so haben wollte. Und er hatte mich selber an der Türe empfangen. Nach einem längeren Blick durch die Videoüberwachung, davon konnte man ausgehen, aber nichtsdestotrotz.
»Erkältung besser?«, fragte er zur Begrüßung, und als ich nach kurzem Nachdenken nickte - sie war tatsächlich abgeflaut
Weitere Kostenlose Bücher