Der Willy ist weg
hole Ihnen eine frische Unterhose.«
Hossa, das hatte mich aber rasch auf den Beinen. Und platt an die Wand gedrückt.
»Du wartest! Ich bin noch nicht fertig! Ihr habt unsere Vereinbarung schon einmal gebrochen, indem ihr eure verdammten Nebengeschäfte eingeführt habt. Seid ihr von Sinnen? Erpresserischer Menschenraub! Wollt ihr bundesweite Schlagzeilen? Wo habt ihr ihn überhaupt? Wisst ihr, dass einer dieser Rocker ein Detektiv ist!?«
Jetzt fiel's mir ein. Irgendein Sänger. Ein regelrechter Kastratentenor. Dauernd im Radio. Nur auf den Namen kam ich nicht. Ich würde Scuzzi mal fragen müssen.
»Pssst!«, machte Deliah, hinter der Türe, und ich hielt die Luft an. »Die Nachbarn«, mahnte sie, und ich atmete wieder, schlich mich aber trotzdem allmählich, Schritt für Schritt, zurück Richtung Haustür.
»Ich habe gesagt«, presste Roth-Bichler hervor, »ihr sollt ihn beseitigen, und zwar sofort! Beseitigen, habe ich gesagt! Dann, habe ich gesagt, gibt es Geld. Vorher nicht! Und daran hat sich nichts geändert.«
»Wir mussten unsere Pläne kurzfristig ändern. Uns bleibt nur noch der Weg ins Ausland. Mit der erstbesten Maschine. Wenn Sie also verhindern wollen, dass Willy schon Montag mit einem Anwalt vor Ihrer Türe steht und Einblick in seine Akten verlangt, sollten Sie jetzt, hier und heute .«
Und ka-lick machte die Haustüre.
Nur zwei tiefe Atemzüge später drang Licht durch den Türspion.
Der Vorbesitzer der Carina war wie ich. Ascher voll bis zum Stehkragen und Reservekanister so leer, dass man nicht mal mehr mit der Nase feststellen konnte, ob er jemals Sprit enthalten hatte. Grummelnd ließ ich den Kofferraumdeckel wieder ins Schloss fallen und mich zurück in den Fahrersitz.
Ich hatte den Wagen umgesetzt, auf den um diese Uhrzeit entvölkerten Parkplatz des Finanzamtes, und hatte gut zehn Minuten Zeit, das eben Gehörte gedanklich zu verarbeiten, bis der lila Honda endlich aus seiner Parklücke zog, das Sichtfeld meiner Windschutzscheibe passierte und erst nach Abbiegen in die Wilhelmstraße die Scheinwerfer einschaltete.
Jetzt lag alles an den japanischen Konstrukteuren. Ich konnte nur hoffen, dass sie die Reserve im Tank großzügig bemessen hatten. Etwa fünfzig Liter wären mir recht gewesen. Das kleine gelbe Licht im rechten oberen Drittel des Tachometers pulsierte nicht mehr, es schien nun permanent und mit wachsender Intensität.
Und, ah, verdammt! - Deliah wiederholte diesen Blödsinn mit Um-den-Block-fahren, was mir unter den gegebenen Umständen natürlich überhaupt nicht in den Kram passte. Ich ließ sie außer Sicht geraten, wendete rasch, so dass sie mir kurz darauf entgegen kam, rollte weiter, bis ihre Rücklichter aus meinen Spiegeln verschwanden, riss den Wagen mit der Handbremse herum und nahm die Verfolgung wieder auf, mit dem widerwilligsten Vollgas meines ganzen Lebens.
Sie bog ab auf den Dickswall, wollte also anscheinend zurück nach Essen, gottsverdammich. Ich sah mich schon auf der Autobahn stranden, hörte schon die blöde Frage >Sie sind doch Mitglied?< von einem dieser Heinis in Gelb, doch soweit sollte es nicht kommen. Oder anders, soweit sollte ich nicht kommen.
Obere Saarlandstraße, leicht linksrum, leicht bergauf, und der Motor nahm kein Gas mehr an. Verreckte mir unter dem Fuß. Der Honda zog mühelos davon, da konnte ich das Lenkrad des Toyota hin- und herreißen und das Gaspedal pumpen, wie ich wollte, die Karre hopste noch zweimal kurz nach vorn, vergaste, zündete und verpuffte die letzten Tropfen und das war's gewesen. Zähneknirschend bog ich von der Straße, um dem weißen Mercedes-Transporter Platz zu machen, der mir cholerisch blinkend und hupend im Genick saß. Mit gequält dröhnendem Diesel beschleunigte er vorbei, nahm die nächste Kurve auf zwei Rädern. >GV-Service< stand an seiner Flanke, etwas, das mir vorhin schon ein mildes Runzeln entlockt hatte. Denn, mal im Ernst, GV? Was für ein Service ist in dem Zusammenhang denkbar? Hinten, auf dem Heck, las ich jetzt des Rätsels Lösung: Das Kürzel hieß, ausgeschrieben, >Gastronomie-Versorgungs-Service<.
Ah, dachte ich. Eine Frage beantwortet, zehn neue aufgeworfen. Vorhin, damit meinte ich nämlich vorhin, auf dem Parkplatz des Finanzamtes. Da hatte der Transporter noch in der Bleichstraße geparkt.
Ich rannte los, Kanister unterm Arm.
Was für ein Interesse konnte Gastronomie-Versorger Lazio Cinosil an den Bewegungen von Deliah Meier haben? Und bevor die ersten schlüpfrigen
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