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Der Wind bringt den Tod

Der Wind bringt den Tod

Titel: Der Wind bringt den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ole Kristiansen
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schwarzen Jacke wirklich nur Einbildung war.
    »Das da drunter müssen Sie auch sehen.« Ehe Jule es verhindern konnte, schüttete Jonas den gesamten Inhalt der Tasche aus.
    Was sich neben den Puppen auf den Waldboden ergoss, war eine beeindruckende Sammlung von Pornoheften. Auf den Titelseiten kopulierten Pärchen und Gruppen in den verschiedensten Stellungen, oder es waren diverse Geschlechtsteile, Hintern und Brüste in bizarren Nahaufnahmen abgelichtet. Sie stammten unverkennbar aus einer Zeit, in der es für Frauen noch nicht Mode geworden war, sich die Scham zu rasieren.
    Jule interessierte sich weniger für die Magazine und mehr für den Gepäckanhänger, der an einer Schlaufe von einem der Griffe der Sporttasche baumelte.
    »Gib mir die Tasche«, sagte sie zu Jonas, dessen Blick fest auf die pornografischen Bilder aus einem fernen Jahrzehnt gerichtet blieb, in dem Jungen in seinem Alter noch nicht das Internet hatten, um ihre Neugier an sexuellen Dingen zu befriedigen.
    Die leere Tasche kam Jule schwerer vor, als sie war. Das kleine Formular in der Plastikhülle des Gepäckanhängers war voll ausgefüllt. Sie las nicht den Namen, den sie erwartet hatte.

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    »Beruhigen Sie sich bitte erst mal, Jule.«
    »Ich will mich nicht beruhigen«, fuhr Jule Smolski an. Mit einem Mal hatte der Wald um sie herum tausend Augen. Jonas starrte sie verstört an, weil sie so in ihr Handy brüllte. »Es war nicht Andreas. Andreas hat diese Frauen nicht umgebracht.«
    »Das haben Sie mir schon gesagt. Jetzt müssen Sie mir noch sagen, wie Sie darauf kommen.«
    Jule holte tief Luft und drückte ihr freies Ohrläppchen. Einmal, zweimal, dreimal. »Weil ich hier in dem Wald stehe, in dem Sie die Leichen gefunden haben«, fuhr sie etwas gefasster fort, »und vor mir eine Tasche liegt, in der lauter verstümmelte Puppen und eine Ladung Pornohefte waren. Und die Tasche hat nicht Andreas gehört.«
    »Sondern?«, fragte Smolski ernst.
    »Jan Nissen«, antwortete Jule. Ihr ursprünglicher Instinkt hatte sie nicht getrogen – nicht Andreas, sondern sein aus Odisworth verschwundener Freund aus Kindertagen war die gnadenlose Bestie. »Auf dem Anhänger steht zwar Klaas Nissen, aber der ist schon lange tot. Hören Sie zu, Smolski, ich möchte so schnell wie möglich aus diesem verfluchten Wald raus. Schicken Sie ein paar Ihrer Leute hierher.«
    »Gehen Sie zurück zu Ihrem Wagen, Jule.« Smolskis Stimme nahm einen warnenden Unterton an.
    »Ich haue hier gern ab, aber der Mörder hat es gar nicht auf mich abgesehen.«
    »Wie bitte?«
    Sie sah zu Jonas, dem die Erwähnung des Mörders sämtliches Blut aus den Wangen getrieben hatte. »Das mit der Puppe in meinem Auto war nur ein Dummejungenstreich. Es hat sich alles aufgeklärt.«
    »Was erzählen Sie da?«
    »Es ist so.« Sie stampfte ungeduldig mit dem Fuß auf. »Sagen Sie mir, was ich jetzt machen soll.«
    »Sie fahren zur nächsten Polizeiwache.« Er nannte ihr eine Adresse in Joldebek. »Schildern Sie den Kollegen, wie sie die Tasche finden können.«
    »Ich kenne mich hier doch kein Stück aus«, wandte sie ein. »Aber Jonas kann es ihnen bestimmt zeigen.«
    »Wer ist Jonas?«
    »Der dumme Junge von dem Dummejungenstreich.«
    »Verstehe.« Smolski schwieg kurz. »Schöne Scheiße.«
    »Ja genau.«
    »Machen Sie trotzdem, dass Sie da wegkommen, Jule«, empfahl er ihr. »Sie hören sich ziemlich mitgenommen an.«
    »Ach wirklich?«, fauchte sie. »Warum nur?«
    »Falls es Sie tröstet: Wir haben die Leiche der zweiten jungen Frau aus dem Wald identifiziert. Es ist nicht Kirsten Küver.«
    Jule wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Kirsten Küver war einmal zu oft definitiv tot, nur um im nächsten Augenblick vielleicht doch irgendwo in Thailand in einer Strandbar zu sitzen. Jule beendete einfach das Gespräch. Sie wollte nur noch fort aus diesem Wald.
    »Bring uns zurück zum Auto«, befahl sie Jonas.
    Der Junge blieb wie angewurzelt stehen.
    »Was ist los?« Sie wirbelte herum, weil sie befürchtete, Jan Nissen – dieses gesichtslose Ungeheuer – könnte sich von hinten an sie herangeschlichen haben, aber da waren nach wie vor nur Bäume.
    »Was ist los?«, fragte sie Jonas noch einmal.
    »Sie … Sie sind so … so wütend«, stammelte der Junge. »Hab ich was falsch gemacht?«
    »Nein. Du nicht.« Sie warf einen Blick auf die auf dem Waldboden verstreuten Puppen. Auf die verrenkten Arme und Beine. Auf das verbrannte Haar. Auf die verstümmelten Brüste. »Du

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