Der Wind der Erinnerung
Ich hatte das Gras geschnitten und Unkraut gejätet, wobei ich die Dornen der wuchernden Rosensträucher mied. Es war schwere Arbeit, doch sie machte mir überhaupt nichts aus. Ich verlor mich darin und genoss es, an gar nichts zu denken. Ich dachte nicht an mein Knie oder Josh oder meine Mutter; es gab nur mich und die sonnenwarme Erde.
Gegen drei kam Monica zu mir. »Wie läuft es?«
Ich schaute von dem Unkrauthaufen hinter mir zum Beet. »Es nimmt irgendwie kein Ende.«
»Möchtest du dir das Häuschen ansehen? Ich bin fertig.«
Ich stand auf und zog mir die Gartenhandschuhe aus. »Ehrlich? Ganz fertig?«
»Komm mal mit.«
Ich war nicht mehr in dem Häuschen gewesen, seit wir die Kisten herausgeholt hatten. Ich erinnerte mich an Dunkelheit und Spinnweben, doch das Innere war nicht wiederzuerkennen. Es war sauber vom Boden bis zur Decke und enthüllte goldene Holzböden und Wände.
»Das sieht phantastisch aus.«
»Komm rein, ich muss dir etwas Interessantes zeigen.« Sie zupfte mich am Ärmel. Zum ersten Mal, seit ich ihr von Josh erzählt hatte, war sie wieder so freundlich wie sonst.
Ich folgte ihr in das größte Zimmer, wo sie sich unter das winzige Fenster kniete, um mir etwas zu zeigen.
»Sieh mal. Alle Scherer, die hergekommen sind, haben ihre Initialen ins Holz geschnitzt.«
Ich beugte mich vor. Sie hatte recht. Die Reihe von Initialen brachte mich zum Lächeln. »Gibt es die in jedem Zimmer?«
»Nur in diesem und dem gegenüber. Und auch Herzen mit den Initialen der Liebsten.«
Das erregte mein Interesse, und ich ging in das andere Zimmer. Kein BB für Beattie Blaxland. Dennoch kam ich ins Grübeln. War Grandmas heimlicher Liebhaber ein Scherer gewesen? Das würde erklären, weshalb man in der Stadt über sie geklatscht hatte.
»Weißt du, was du machen solltest?« Monica wischte einen Schmutzfleck vom Fenster, den sie übersehen hatte. »Du solltest ein bisschen Geld für die Inneneinrichtung ausgeben und das Häuschen an Urlauber vermieten. Ferien auf dem Bauernhof sind groß in Mode.«
Ich schüttelte den Kopf. »Im März werde ich das ganze Anwesen verkaufen. Dann kann sich jemand anders darum kümmern.«
»Du willst definitiv verkaufen?«
Ich sah sie an und lachte. »Definitiv. Wahrscheinlich. Ich weiß es nicht. Ich kann nicht hierbleiben, ich muss mein Leben wieder in die Hand nehmen.«
»In Sydney? Oder in London?«
Mir fiel keine Antwort ein.
»Mit Josh?«, fragte sie leise.
Ich beschloss, Nägel mit Köpfen zu machen. »Warum stört es dich, dass ich einen Ex-Freund in London habe?«
»Den du noch liebst?« Ich schaute auf meine Hände und sagte nichts.
Monica seufzte. »Bin ich so leicht zu durchschauen?«
»Ja.«
»Es war einfach dumm von mir. Ich dachte, du magst Patrick. So
richtig,
meine ich. Und der Gedanke ließ mich nicht los, also …«
»Warst du an seiner Stelle eifersüchtig.«
»Sieht so aus.« Sie lächelte. »Tut mir leid.«
»Schon gut.«
»Es ist nur …« Sie verstummte. »Ich sollte das nicht sagen …«
Ich wartete ab. Im Laufe der Jahre hatte ich entdeckt, dass Schweigen viele Leute zum Reden brachte. »Es ist nur so, dass Patrick dich mag.«
»Mag er mich? Oder mag er mich
richtig?
« Ich kam mir vor wie ein Teenager.
Sie schüttelte den Kopf. »Er wird mich umbringen.«
»Ich verrate nichts.« Allmählich wurde es brenzlig. Ich spürte, wie mich ein kleiner Schauer überlief. Patrick mit den exotischen Augen und dem geraden Rücken. Ich hatte recht gehabt, er fand mich attraktiv und hatte es sogar seiner Schwester erzählt. Der Gedanke schlug Funken in meinem Körper. Ich kicherte wie ein Schulmädchen.
»Vergiss, was ich gesagt habe. Tut mir leid, wenn ich dich in Verlegenheit gebracht habe. Brauchst du Hilfe bei dem Beet?«
»Nur zu gern.«
Und so verbrachten wir den Rest des goldenen Nachmittags schweigend bei der Gartenarbeit.
Minas Vater bestand darauf, mich kennenzulernen, und ich fuhr mit Patrick nach Hobart, um sie abzuholen. Wir hielten vor einem riesigen, verglasten Haus in Battery Point.
Patrick runzelte die Stirn, schaute noch mal auf den Zettel mit der Adresse und schaltete den Motor aus. »Ganz schön großes Haus.«
»Wohnen die beiden allein?«
»Soweit ich weiß, schon.« Er stieg aus, und ich folgte ihm zur Tür, wo wir klingelten. Ich warf ihm im hellen Mittagslicht verstohlene Blicke zu, doch er schien sie nicht zu bemerken.
Schließlich öffnete Minas Vater die Tür. Er war ein hochgewachsener Mann mit
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