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Der Wind der Erinnerung

Der Wind der Erinnerung

Titel: Der Wind der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kimberley Wilkins
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Fußabdrücke der Sünde in mein Haus.«
    »Also ehrlich, Margaret. Ich habe nichts getan, was …«
    »Du musst gar nichts
tun.
Es geht um das, was du
nicht
tust. Wer blind ist gegenüber der Verderbnis der anderen, ist in Gottes Augen genauso schlecht.«
    »Gott würde wollen, dass ich mich um das Wohl meiner Tochter kümmere. Ich muss arbeiten.«
    Margaret senkte den Kopf und sagte so leise, dass Beattie es fast überhörte: »Ich glaube, du solltest nicht zurückkommen.«
    »Du willst mich hinauswerfen?« Sie war erleichtert und entsetzt zugleich.
    »Wenn ich mich blind stelle, bin ich nicht besser als du.«
    »Und besser zu sein als ich ist wichtig, nicht wahr?« Beattie hob den Karton vom Bett und stellte ihn auf den Boden. »Na schön, ich packe die restlichen Sachen und nehme sie mit.« Ihr Herz schlug sehr schnell. Konnte sie nach der Schafschur auf Wildflower Hill bleiben? Für sie und Lucy wäre genügend Platz im Schererhäuschen, obwohl es nicht so gemütlich war wie bei Margaret. Lucy würde den ganzen Tag bei Beattie in der Küche bleiben müssen. Und was sollte sie mit dem Kind anfangen, wenn sie abends bei Raphaels Festen bediente? Vielleicht konnte Alice ihr helfen … Sie musste an Henry schreiben, damit er Lucy auf der Farm ablieferte. Was würde er zu alldem sagen?
    Sie sah Margaret an. Immerhin hatte sie ihr ein Heim gegeben, als sie es am nötigsten brauchte. Aber sie durfte nicht an die Wärme denken, die anfangs zwischen ihnen geherrscht hatte, sonst könnte sie die Kälte nicht ertragen. Es erinnerte sie an ihre Mutter, die sie hinausgeworfen, und an Cora, die keinen ihrer Briefe beantwortet hatte. »Es tut mir leid, dass ich dir zur Last gefallen bin. Aber ich danke dir, dass du mir eine Chance gegeben hast, als ich neu in der Stadt war.«
    Margaret wich ihrem Blick aus, nickte knapp und verließ das Zimmer.
    Beattie war ungeheuer müde. Nun begann der Kampf von neuem. Wieder standen sie und Lucy vor einer ungewissen Zukunft.
     
    In den nächsten beiden Wochen hatte sie keine Zeit, um über ihre Lage nachzudenken. Im Morgengrauen stand sie auf, um das Frühstück vorzubereiten, arbeitete den ganzen Tag, legte dann die Schürze ab und kämmte sich das Haar, bevor sie abends noch Raphael und seine Gäste bediente, wenn sie pokerten und tranken.
    Raphael schien kaum zu bemerken, dass die Schafschur im Gange war. Alles wurde vom Verwalter Terry geleitet, ein umgänglicher Mann mit rotem Gesicht, der immer nach Schweiß und Pferden roch. Raphael selbst setzte keinen Fuß in den Scherschuppen. Nur ein einziges Mal erwähnte er die hektische Aktivität auf seinem Anwesen, als er abends Beatties Hand ergriff und sagte: »Deine Haut ist ganz rot und rauh. Du hast für diese undankbaren Scherer viel zu schwer gearbeitet.«
    Sie machte sich los und ging wieder an die Arbeit. Je mehr sie zu tun hatte, desto weniger musste sie nachdenken. Jeden Abend gegen Mitternacht fiel sie erschöpft ins Bett. Sechs Stunden später ging alles von neuem los.
     
    Dann war es vorbei. Die Scherer packten ihre Habseligkeiten und zogen weiter zur nächsten Farm. Auf Wildflower Hill kehrte wieder Stille ein. Beattie hatte noch keine neue Unterkunft gefunden. Als sie mit Alice ins Schererhäuschen ging, um dort sauber zu machen, beschloss sie, das Thema anzusprechen.
    »Alice, ich habe kein Zuhause mehr. Margaret hat mich rausgeworfen.«
    Die Haushälterin fackelte nicht lange. »Du kannst hier im Häuschen wohnen.«
    »Muss ich Mr. Blanchard fragen?«
    »Ich werde es ihm sagen. Es ist einfacher für uns, wenn du hier bist. Das Zimmer am Ende des Flures gegenüber Mikhails ist am schönsten.«
    »Es gibt wohl keine Möglichkeit, im Haus zu wohnen, oder? So wie du?«
    »Nicht mit der Kleinen. Mr. Blanchard mag keine Kinder.« Sie richtete sich auf und warf den Mopp in den Eimer. »Du wirst fünf Shilling weniger die Woche erhalten, mit dem Kind sechs.«
    »Das ist in Ordnung.«
    »Und du musst dir Möbel kaufen. Ein eigenes Bett.«
    Beattie nickte. In der Stadt gab es einen Laden, der Gebrauchtmöbel verkaufte. Dort hatte sie einen Teppich und ein Bett gesehen, die sie sich leisten konnte. Als Stühle müssten vorläufig Obstkisten dienen. Alice nahm alle Mahlzeiten in der Küche ein, und Beattie ging davon aus, dass sie und Lucy das auch könnten. Vielleicht wäre alles gar nicht so schlimm.
    Am späten Nachmittag schickte sie sich an, ihr neues Heim herzurichten. Bis ihr Bett kam, würde sie einen Schlafsack

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