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Der Wind der Erinnerung

Der Wind der Erinnerung

Titel: Der Wind der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kimberley Wilkins
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hatte –, und die Wildblumen blühten auf den Hügeln hinter dem Haus. Vielleicht sollte sie hinausgehen und frische Luft schnappen, damit sie einen klaren Kopf bekam.
    Dann klopfte es. Charlie stand in der Tür.
    »Hey, Missus«, sagte er. Er bestand darauf, sie so zu nennen, auch wenn sie ihn mehrmals gebeten hatte, Beattie zu sagen. Inzwischen hatte sie es aufgegeben.
    »Charlie. Was gibt es?«
    »Es ist jetzt zwei Wochen her, und Sie sind immer noch nicht auf das verdammte Pferd gestiegen.«
    »Sie haben selbst gesagt, dass Sie mich noch nicht brauchen.«
    »Ich brauche Sie aber, bevor der Sommer vorbei ist. Die Hunde und ich schaffen es nicht allein.«
    Beattie wollte nicht zugeben, dass sie Angst vor dem Reiten hatte. Pferde erschienen ihr so groß und unberechenbar. »Es ist noch genügend Zeit, um es zu lernen.«
    »Aber nicht, um es gut zu lernen. Hören Sie, Missus, Sie können keine Schaffarm führen, ohne zu reiten. So hat es Raphael Blanchard gehalten, und Sie wissen ja, was aus ihm geworden ist. Die Schafe müssen viel bewegt werden. Diese Woche kommen zweitausend Tiere dazu. Sie müssen mir helfen oder jemanden einstellen.«
    Beattie sah auf die Zahlenkolonnen und spürte den vertrauten Stich im Herzen.
    Charlie kniete sich hin, stützte die Arme auf den Schreibtisch und das Kinn auf die Arme. »Missus? Haben Sie Angst?« Er lächelte breit – er hatte ein sehr ansteckendes Lächeln.
    Beattie musste lachen. »Keine Angst, aber mir ist nicht wohl dabei.«
    »Das ist am Anfang immer so. Aber Abby ist ziemlich ruhig. Sie wird nett zu Ihnen sein.« Er stand auf und deutete auf ihren Rock. »Ziehen Sie sich um, dann treffen wir uns im Stall.«
    Er marschierte davon. Beattie klappte das Buch zu und sah ihm nach. Er bewegte sich mit einer lässigen Anmut, fühlte sich zutiefst wohl in seinem Körper. Sie wusste genau, dass sie unbeholfen und lächerlich wirken würde, wenn sie zu reiten versuchte. Es war ihr jetzt schon peinlich.
    Sie zog eine Hose an, die sie gewöhnlich bei der Gartenarbeit trug, nahm den Hut vom Türhaken, ging zwischen den gackernden Hühnern hindurch in den Garten, wo Mikhail gerade Kräuter pflanzte, und zum Stall.
    Abby, die große kastanienbraune Stute, wartete schon. Charlie stand gegen das Pferd gelehnt und sprach ihm leise ins Ohr. Sein eigenes Tier, der graue Hengst Birch, war noch angebunden. Beattie musste schlucken.
    »Ich bin bereit.«
    Charlie klopfte auf Abbys Flanke. »Man hält sich immer auf der linken Seite des Pferdes, daran ist es gewöhnt. Jetzt werden wir sie satteln.«
    Langsam, mit viel Geduld und Humor erklärte er Beattie die einzelnen Schritte. Wie man die Gebissstange ins Maul des Pferdes schob, den Kehlriemen befestigte, die Satteldecke glatt strich und den Sattelgurt festzurrte. Er zeigte ihr, wie man leise auf das Pferd einreden konnte, um es zu beruhigen, und half ihr beim Aufsitzen. Es kam ihr sehr hoch vor. Am liebsten hätte sie sich vorgebeugt und an der Mähne festgeklammert.
    »Nein, nein«, sagte Charlie. »Sie müssen sich entspannen, Missus. Hände tief, Fersen tief. Füße nach vorn. Sie müssen Ihre Zehen sehen können. Nicht wackeln. Entspannen. Tief Luft holen.«
    Das war leichter gesagt als getan. Abby wurde allmählich unruhig, und Beattie zwang sich, still zu sitzen. Wieder beruhigte Charlie das Pferd. Beattie holte tief Luft.
    »Und jetzt ganz sanft mit den Fersen anstoßen. Ganz, ganz sanft.«
    Worauf sich das Pferd in Bewegung setzte.
    »Geh weiter, Abby«, er rieb dem Pferd die Nase, »geh weiter.«
    »Und wie sage ich ihr, wohin ich will?«, fragte Beattie panisch.
    »Natürlich mit den Zügeln.« Mit einer fließenden Bewegung stieg Charlie auf sein Pferd und trabte neben sie. »Wir fangen ganz langsam an. Nur über die Koppel.«
    Beattie fürchtete schon, sie werde sich nie an diese Höhe gewöhnen, doch Charlie war sehr geduldig mit ihr und zwang sie zu nichts. Sie ritten zweimal um die Koppel und kehrten dann in den Stall zurück.
    »War das alles?«
    »Das und eine Menge Übung.« Charlie saß ab und legte die Hände um ihre Hüften, um ihr zu helfen. Er war sehr stark. Sie kam sich unbeholfen vor und fiel beinahe zu Boden. Abby wieherte leise.
    »Nicht lachen«, sagte sie zu dem Pferd.
    »Jeden Tag, Missus«, erklärte Charlie. »Zweimal um die Koppel, dann dreimal, dann viermal. Und wenn Sie sich daran gewöhnt haben, schneller und weiter. Im Herbst müssen Sie mit mir die Schafe zusammentreiben. Werden Sie das

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