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Der Wind über den Klippen

Der Wind über den Klippen

Titel: Der Wind über den Klippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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aber zu Hause bleiben, bis auch ihr im Frühsommer geborenes drittes Kind im Schulalter war.
    Iidas Gesicht lief rot an, sie ächzte. Ich erkannte die Anzei-chen, es war Zeit, die Windeln zu wechseln. Iida riss sich los und lief lachend ins Wohnzimmer. Das Einfangen des kleinen Stinktiers wurde zum Spiel. Sie versteckte sich hinter dem Sofa, dann hinter einem Sessel und kicherte fröhlich, weil ich tat, als bekäme ich sie nicht zu fassen. Als ich sie endlich ins Badezimmer im Obergeschoss verfrachtet hatte, war die Bescherung schon aus der Windel in beide Hosenbeine gelaufen, und Iidas triumphierendes Strampeln sorgte dafür, dass sie sich noch weiter ausbreitete. Unten klingelte das Telefon, Antti erschien mit verärgertem Gesicht an der Badezimmertür.
    »Für dich. Was Dienstliches, Lähde ist dran.«
    »Ich hab die Hände voller Kacke, außerdem hab ich frei!«
    »Es scheint wichtig zu sein, Lähde war ganz verstört.«
    »Scheiße!«, sagte ich aus vollem Herzen. »Mach du weiter, ehe Iida vom Wickeltisch fällt.«
    Ich wusch mir die Hände und rannte ans Telefon. Lähde, der Abenddienst hatte, klang verängstigt.
    »Ein Notfall, Maria! Ström hat mich hier auf dem Präsidium angerufen, ziemlich betrunken. Er bestand darauf, dass ich das Gespräch aufzeichne. Als ich sagte, jetzt liefe das Band, hat er erklärt, er würde gleich auflegen und sich dann erschießen. Er hätte nur angerufen, um uns die Arbeit zu erleichtern.«
    Ich fühlte mich auf einmal völlig leer, irgendetwas in mir weigerte sich zu begreifen.
    »Hat er es ernst gemeint?«
    »Ich glaube ja. Er wollte meine Einwände nicht hören, hat den Hörer aufgeknallt, und als ich zurückgerufen habe, hat er nicht abgenommen.«
    »Kam der Anruf aus seiner Wohnung?«
    »Der Nummernanzeige nach ja. Ich hab schon zwei Streifenwagen losgeschickt.«
    »Gut. Ich fahr sofort hin. Bleib in der Nähe des Telefons, ich ruf dich an, sobald ich weiß, was los ist.«
    Ich nahm mir nicht die Zeit, nach oben zu rennen, sondern rief zu Antti hinauf, ich müsse weg. In fliegender Hast zog ich Schuhe und Lederjacke an, steckte Brieftasche und Handy ein.
    Erst als ich mit dem Schlüssel am Zündschloss herumstocherte, merkte ich, wie heftig meine Hände zitterten. Was zum Teufel war in Pertsa gefahren? Ich bog in die Vähän-Henttaantie ein, beschleunigte auf neunzig, obwohl ich wusste, dass ich mich selbst und andere gefährdete. Verflucht, warum hatte ich kein Polizeifahrzeug mit Blaulicht und Martinshorn! An der nächsten Kreuzung wäre ich fast mit einem Müllwagen zusammengesto-
    ßen. Der Fahrer hupte und schüttelte die Faust, doch ich raste unbeirrt weiter. Eine Weile klammerte ich mich an den Gedanken, dass Pertsa für die Zeit seiner Suspendierung die Dienstwaffe hatte abgeben müssen, doch dann erinnerte ich mich an die .38er Beretta, für die er ebenfalls einen Waffen-schein besaß.
    Nach seiner Scheidung war Pertsa in ein Einzimmerapparte-ment in Olari gezogen. Ein paar Mal hatte ich an der Wohnungstür mit ihm gesprochen, hereingebeten hatte er mich nie. Nun standen zwei Streifenwagen vor dem Haus, Hauptmeisterin Liisa Rasilainen von der Schutzpolizei sprintete sofort los, um mir den Zutritt zu verwehren. Als sie mich erkannte, hellte sich ihr Gesicht auf.
    »Maria! Gut, dass du da bist. Wir sind vor einer Minute angekommen. Nachbarn haben vor drei Minuten einen Schuss aus Ströms Wohnung gehört, einer hatte auch schon den Notruf alarmiert.«
    Ich nickte nur, zu sagen gab es nichts. Auf dem Hof und an den Fenstern der Nachbarhäuser waren die ersten Schaulustigen aufgetaucht. Liisa blieb zurück, um sie in Schach zu halten, ihre Kollegen waren bereits im zweiten Stock. Ich rannte die Treppe hinauf, obwohl mir die Beine kaum gehorchen wollten.
    Die Tür zur Nachbarwohnung stand offen, einer der Polizeimeister im dunkelblauen Overall sprach beruhigend auf einen grauhaarigen, gebrechlichen Mann ein, den der Schuss in der Nachbarwohnung verständlicherweise aus der Fassung gebracht hatte. Die anderen Streifenbeamten grüßten mich, offensichtlich erleichtert, dass ich das Kommando übernahm.
    »Wir haben es mit der Klingel und dem Megaphon versucht.
    Keine Reaktion. Der Hausmeister ist unterwegs«, sagte Polizeimeister Haikala.
    »Und der Schuss kam aus dieser Wohnung, ist das sicher?«
    »Sagen die Nachbarn jedenfalls.«
    »Gib mir das Megaphon!« Ich riss ihm die Flüstertüte fast aus der Hand und hob sie an die Lippen.
    »Pertsa! Maria hier! Mach keine

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