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Der Wind über den Klippen

Der Wind über den Klippen

Titel: Der Wind über den Klippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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Ström offiziell für tot.
    Ich warf einen Blick in die Küche, die, abgesehen von zwei leeren Bierflaschen auf der Spüle, sauber wie geleckt war. So ordentlich wie seine Wohnung war auch Ströms Schreibtisch immer gewesen, jedes Papier hatte exakt auf seinem Platz gelegen. Als Nächstes ging ich ins Bad. Auf einer grünen, rostfleckigen Waschmaschine lagen zwei Briefe, der eine an Ströms Kinder Jani und Jenna adressiert, der andere an das Gewaltdezernat der Espooer Polizei. Ihn nahm ich in die Hand.
    Pertsa hatte sich offenbar nicht entscheiden können, ob er Druck- oder Blockschrift verwenden sollte, seine Handschrift war schwer zu entziffern.
    An das Dezernat für Gewaltverbrechen der Polizei Espoo. Wir haben im Kollegenkreis mitunter darüber geklagt, dass nicht alle Selbstmörder einen Brief hinterlassen. Die Polizei muss ihre Zeit für Ermittlungen verschwenden, bis feststeht, dass der Tote sich selbst ins Jenseits befördert hat. Diese Mühe will ich euch ersparen. Ich gehe aus eigenem Entschluss, ich weiß genau, was ich tue. Mein Leben ist nicht mehr lebenswert, also werde ich mich erschießen. Wenn man mir nun auch noch den Beruf wegnimmt, bleibt mir nichts mehr. Ich habe immer versucht, ein guter Polizist zu sein, mich dafür einzusetzen, dass anständige Steuerzahler sich jederzeit sicher fühlen können. Das ist für mich frustrierend, denn die Kriminellen haben heute mehr Rechte als die ehrlichen Bürger. Auch dieser Väätäinen wird eines Tages seine Frau umbringen, die Polizei kann ihn nicht daran hindern.
    Viele von euch sind sicher froh, mich los zu sein, aber rächt euch bitte nicht an mir, indem ihr ein prunkvolles Begräbnis feiert. Schon beim Gedanken an dieses Theater wird mir schlecht. Mir wird sicher niemand eine Träne nachweinen, und das ist auch nicht nötig. Ich fürchte mich nicht vor dem Tod, ich habe mir immer gewünscht, in den Sielen zu sterben. Eine Zeit lang habe ich mit dem Gedanken gespielt, zuerst noch Väätäinen und ein paar andere Kotzbrocken zu erschießen, aber ich lasse es. Ihr habt sowieso zu viel zu tun.
    Bleibt gute Polizisten.
    Hauptkommissar P. Ström.
    Zum Ende hin fielen die Zeilen immer steiler nach unten ab, die Handschrift wurde undeutlicher. Vielleicht hatte Pertsa beim Schreiben die Schnapsflasche geleert. Ich rief den Technikern zu, ich hätte Abschiedsbriefe gefunden und brauchte Plastikbeutel. Da Pertsa den Brief an seine Kinder nicht zugeklebt hatte, las ich auch ihn.
    Liebe Jenna und lieber Jani, ich habe euch immer lieb gehabt, auch in den letzten Jahren, in denen ich nicht mehr bei euch leben durfte. Nun gehe ich für immer fort, aber bei eurer Mutter und Kai wird es euch an nichts fehlen, das weiß ich.
    Jani, du bekommst meine gesamte Polizeiausrüstung, und du, Jenna, sollst Omis Amethystring haben, der in der verschlossenen Waffenkiste unter dem Bett liegt. Verkauft alles andere und verwendet das Geld für eure Ausbildung. Viel kann ich euch nicht hinterlassen.
    An dem, was geschieht, trägt niemand Schuld außer mir selbst, auf gar keinen Fall ihr beide oder eure Mutter. Denkt immer daran. Seid in der Schule fleißig, bleibt anständige Menschen und trauert nicht zu sehr um mich. So ist es für alle am besten.
    In Liebe, Vati.
    Hakkarainen von der Technik stand an der Badezimmertür und hielt mir Plastikbeutel hin. Irgendwer musste Jenna und Jani den Brief ihres Vaters überbringen; in der Asservatenkammer würde er jedenfalls nicht enden, dafür wollte ich schon sorgen. Ich schob die Briefe in die Schutzhüllen und legte sie wieder auf die Waschmaschine. Beim Aufschauen sah ich mich in dem blitzblank polierten Spiegel und wischte zerstreut einen Blau-beerfleck am Hals ab. Über der Vorhangstange an der Dusche war eine dunkelbraune lange Unterhose mit grünen Streifen zum Trocknen aufgehängt. Ich versuchte vergeblich, mir Ström beim Wäschewaschen vorzustellen. Er hatte immer verkündet, für Weiberarbeit gebe er sich nicht her.
    Zu meiner Überraschung hörte ich Puupponens Stimme im Flur, offenbar hatte Lähde in seiner Verzweiflung auch ihn alarmiert. Ich ging zurück in das Wohnschlafzimmer, wo Techniker und Fotografen geschäftig, aber ungewohnt still zugange waren. Kein Theoretisieren, keine Frotzeleien wie sonst. Jeder der Anwesenden hatte zigmal unter Ströms Kommando einen Tatort untersucht.
    »Herr des Himmels«, sagte Puupponen, als er Pertsas Leiche sah, und fügte fast scheu hinzu: »Maria …«
    »Grüß dich. Was machst du denn

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