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Der Wind über den Klippen

Der Wind über den Klippen

Titel: Der Wind über den Klippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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den Fuß des Leuchtturms gelockt: Riikka Merivaara und Tapio Holma. Jiri. Mikke Sjöberg, der im Luftwirbel der Rotoren versuchte, seine Pfeife anzuzünden. Eine etwa fünfzigjährige rundliche, dunkelhaarige Frau, die ich nicht kannte. Ihre violette Jacke flatterte im Wind wie ein Hexenman-tel.
    Wir kletterten aus dem Hubschrauber. Mikke empfing uns als Erster, mit gepresster Stimme sagte er:
    »Guten Tag. Sie sind schnell gekommen.« Er gab uns nicht die Hand.
    »Guten Tag zusammen. Ich bin Kriminalhauptkommissarin Maria Kallio von der Polizei Espoo, meine Begleiter sind die Kriminalmeister Pekka Koivu und Petri Puustjärvi und der Polizeifotograf Erkki Myller.«
    Die violett gekleidete Frau trat vor, gab uns die Hand und stellte sich als Seija Saarela vor. Nun begrüßte uns auch Tapio Holma, während Riikka und Jiri, fest in ihre Mäntel gewickelt, uns stumm ansahen.
    »Petri, such bitte im Haus einen geeigneten Raum für die vorläufigen Vernehmungen«, bat ich Puustjärvi. »Nimm alle Personalien auf. Würde derjenige, der die Leiche gefunden hat, uns bitte hinführen?«
    Da Tapio Holma die Polizei alarmiert hatte, nahm ich an, dass er den Toten gefunden hatte, doch Mikke Sjöberg sagte:
    »Ich habe Juha gefunden, am Westufer.«
    Ich konnte ihn nicht fragen, ob der Tote an derselben Stelle lag wie Harri, denn Mikke stiefelte bereits durch das nasse Gras davon. Ich folgte ihm mit Koivu und dem Fotografen. Die Islandflechte, die in der Trockenheit bei unserem letzten Besuch eng an den Felsen angelegen hatte, wucherte nun üppig. Mikke ging an der Stelle vorbei, wo wir vor ein paar Wochen gemeinsam Laphroaig getrunken hatten. Er zeigte auf das Ufer, an das der Westwind anderthalb Meter hohe Wellen warf.
    Juha Merivaara lag bäuchlings auf dem Ufergeröll, knapp außer Reichweite der Wellen. Das Wasser umspülte Füße und Hände, während Rücken und Oberschenkel dem Wind ausge-setzt waren. Ich trat so nahe an den Rand der Felsen, wie ich es wagen konnte. Ein Sturz aus fünf Meter Höhe, das klang nicht besonders gefährlich, doch wenn man die Felsblöcke sah, die aus dem Meer ragten, wusste man, dass es den Tod bedeutete.
    »Warst du da unten?«, fragte ich Mikke.
    »Ja. Ich bin am Hang ausgerutscht und ins Meer gerollt.«
    Er hatte ein Pflaster am linken Handrücken und eine Abschür-fung am Kinn.
    »Vorsicht!«, warnte ich Koivu und Myller und begann mit dem Abstieg. Der Felsen war tatsächlich extrem rutschig, offenbar hatte der Wind die Wellen gestern zwei Meter hoch aufgetürmt, und zusätzlich hatte es geregnet.
    Von nahem sah man das Loch in Juha Merivaaras linker Schläfe und die Prellungen an Hinterkopf und Nacken. Koivu sah mich fragend an, sagte aber nichts, da Mikke Sjöberg bei uns war.
    »Wann hast du ihn gefunden?«
    »Kurz vor sieben. Ich wollte die Vertäuung der ›Leanda‹, so heißt mein Boot, überprüfen, weil der Wind in der Nacht gedreht hatte. Dann sah ich, dass im Süden die Wolkendecke aufriss, und dachte mir, ich schaue mir vom Leuchtturm aus den Sonnenaufgang an. Von dort oben habe ich dann eine Gestalt im Ufergewässer gesehen. Mein erster Gedanke war, hier spukt es.«
    Mikke verzog das Gesicht. Ich konnte sein Gefühl nachvollziehen, ich hatte ja auch sofort an Harri gedacht. »Ich bin zum Felsen gelaufen und habe gesehen, dass nicht Harri im Wasser lag, sondern Juha …«
    Juha Merivaara war voll angekleidet, er trug eine Baumwollhose, eine Öljacke und Segelschuhe. Der Körper sah stark und groß aus, in der Kälte waren die Muskeln fest geblieben.
    »Hast du die Leiche berührt?«
    »Ja!«, brüllte Mikke. »Natürlich hab ich ihn aus dem Wasser gezogen! Ich habe ihm den Puls gefühlt und sogar versucht, ihn zu beatmen, obwohl ich wusste, dass es keinen Sinn mehr hatte.
    So was tut man eben als Erstes, an polizeiliche Ermittlungen denkt man in dem Moment nicht.«
    »Sind noch andere hier gewesen?«
    »Tapsa ist mit mir zurückgekommen und hat dann vom Handy die Polizei angerufen. Wir haben nichts mehr angerührt, obwohl ich Juha gern weiter an Land getragen und zugedeckt hätte.«
    Mikke schluckte, was er zu verbergen versuchte, indem er an seiner Pfeife zog. Erst jetzt wurde mir bewusst, wie verstört er war.
    »Danke für deine Hilfe, du kannst jetzt ins Haus gehen.«
    Ich hätte ihm gern etwas Freundlicheres gesagt oder ihm wenigstens auf die Schulter geklopft, brachte es aber nicht über mich.
    »Runtergefallen … Sicher abgerutscht«, mutmaßte Koivu, als Mikke außer

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