Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Winterschmied

Der Winterschmied

Titel: Der Winterschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
außerdem ein ganzes Regal voller Bücher, was ungewöhnlich war für eine Hexe im fortgeschrittenen Alter. Das Regal war sehr hoch, die Bücher wirkten groß und schwer, und bisher hatte Fräulein Verrat Tiffany verboten, sie abzustauben, ganz zu schweigen davon, das große schwarze Eisenband aufzuschließen, das sie auf den Borden festhielt. Besucher blickten immer nervös zu ihnen auf. Bücher waren gefährlich.
    Tiffany löste das Eisenband und wischte den Staub fort.
    Ah... die Bücher waren, genau wie Fräulein Verrat, nicht unbedingt das, was sie zu sein schienen. Sie sahen wie Zauberbücher aus, trugen aber Titel wie Enzyklopädie der Suppen. Tiffany entdeckte ein Wörterbuch. Daneben stand das Buch, das sie holen sollte. Es war voller Spinnweben.
    Das Gesicht noch immer rot vor Scham und Zorn, zog Tiffany das Buch aus dem Regal und versuchte, es von den Spinnweben zu befreien. Einige von ihnen machten Pling!, als sie rissen, und Staub rieselte von der Oberkante der Seiten. Als Tiffany das Buch öffnete, roch es so alt und pergamentartig wie Fräulein Verrat. Der Titel in abgegriffenen goldenen Buchstaben lautete: Buchfinks Mythologie der Antike und der Klassik. Es war voller Lesezeichen.
    »Die Seiten achtzehn und neunzehn«, sagte Fräulein Verrat, ohne den Kopf zu drehen. Tiffany blätterte.
    »Der Tazn der Jahrezseiten?«, las sie. »Soll das >Tanz der Jahreszeiten< heißen?«
    »Der Künstler Don Weizen de Yoyo, von dem das Meisterwerk stammt, war bei Buchstaben leider nicht so talentiert wie bei Farben«, erklärte Fräulein Verrat. »Sie beunruhigten ihn aus irgendeinem Grund. Ich stelle fest, dass du die Wörter vor den Bildern erwähnst. Du bist wohl eine kleine Leseratte.«
    Die Bilder waren... seltsam. Sie zeigten zwei Gestalten. Tiffany hatte noch nie jemanden in einer Kostümierung gesehen. Für so etwas gab es daheim kein Geld. Aber sie hatte darüber gelesen und sich etwas in dieser Art vorgestellt.
    Die Seite zeigte einen Mann und eine Frau, beziehungsweise zwei Geschöpfe, die wie ein Mann und eine Frau aussahen. Unter der Frau stand »Sommer«. Sie war groß, blond und schön, und deshalb erfüllte sie die kleine, braunhaarige Tiffany sofort mit Misstrauen. Sie trug einen großen Korb,  der wie eine Schale oder ein Hörn geformt und voller Obst war.
    Der Mann namens »Winter« war alt, krumm und grau. Eiszapfen glitzerten in seinem Bart.
    »Klar, so muss der Winterschmied aussehen«, sagte Rob Irgendwer und schlenderte quer über die Seite. »Väterchen Frost.«
    »Wie bitte?«, erwiderte Tiffany. »Das soll der Winterschmied sein? Der ist ja mindestens hundert Jahre alt!«
    »Ja, ganz schön jung, was?«, meinte Fräulein Verrat spitz.
    »Lass dich bloß nich' von ihm küssen, denn sonst wird deine Nase blau und fällt ab«, sagte der Doofe Wullie fröhlich.
    »Untersteh dich, Doofer Wullie!«, wies ihn Tiffany streng zurecht.
    »Ich wollte nur 'n bisschen die Atmosphäre auflockern«, erwiderte der Doofe Wullie verlegen.
    »Das ist natürlich eine künstlerische Darstellung«, sagte Fräulein Verrat.
    »Was bedeutet das?«, fragte Tiffany und betrachtete das Bild. Es stimmte nicht. Das wusste sie. Der Winterschmied sah ganz anders aus...
    »Es bedeutet, der Künstler hat es sich ausgedacht«, antwortete Billy Breitkinn. »Er kann ihn wohl kaum gesehen haben, oder? Niemand hat den Winterschmied gesehen.«
    »Noch nich'!«, sagte der Doofe Wullie.
    »Wullie...« Rob Irgendwer wandte sich an seinen Bruder. »Weißt du noch, was ich dir über taktvolle Bemerkungen gesagt habe?«
    »Ja, Rob, das weiß ich noch«, bestätigte Wullie gehorsam.
    »Diese gehörte nich' dazu«, sagte Rob.
    Wullie ließ den Kopf hängen. »Tschuldige, Rob.«
    Tiffany ballte die Fäuste. »Ich wollte nicht, dass all das geschieht!«
    Fräulein Verrat drehte ihren Stuhl und nahm feierlich die Augenbinde ab.
    »Was hast du dann gewollt? Wärst du so freundlich, mir das zu sagen? Hast du getanzt, weil die Jugend dazu neigt, dem Alter zu trotzen? Um zu wollen, muss man denken. Hast du überhaupt gedacht? Es haben schon andere den Tanz mitgetanzt. Kinder, Trunkenbolde, Jugendliche wegen einer dummen Wette... Nichts ist passiert. Die Frühlings- und Herbsttänze sind... nur eine alte Tradition, würden die meisten Leute sagen. Nur ein Brauch zur Feier des Augenblicks, wenn Eis und Feuer sich in ihrer Herrschaft über die Welt abwechseln. Einige
    von uns glauben, dass wir es besser wissen. Wir glauben, dass dabei etwas

Weitere Kostenlose Bücher