Der Wissenschaftswahn
über die verschiedenen Weltanschauungen:
Weltbild
Gott
Natur
Traditionell christlich
Interaktiv
Lebendiger Organismus
Früh-mechanistisch
Interaktiv
Maschine
Deismus der Aufklärung
Nur Schöpfer
Maschine
Romantischer Deismus
Nur Schöpfer
Lebendiger Organismus
Romantischer Atheismus
Kein Gott
Lebendiger Organismus
Materialismus
Kein Gott
Maschine
Die Romantik hat eine dauerhafte Kluft in der abendländischen Kultur entstehen lassen. Unter Gebildeten, in der Arbeitswelt, in Politik und Wirtschaft gilt die Natur als mechanistisch, sie ist eine unbelebte Rohstoffquelle, die im Interesse der wirtschaftlichen Entwicklung ausgebeutet werden kann. Die Wirtschaft unserer Zeit ist auf dieses Fundament gebaut. Andererseits wachsen Kinder in einer märchenhaften animistischen Atmosphäre auf, in der Tiere sprechen und Verwandlungen möglich sind. Und die lebendige Welt wird weiterhin in Gedichten, Liedern und anderen Kunstwerken besungen. Natur wird eher mit dem Landleben als mit der Stadt assoziiert, am stärksten mit der unberührten freien Natur. Viele Städter träumen vom Umzug aufs Land oder zumindest von einem Wochenendhäuschen. Am Freitagabend staut sich in den Städten der Verkehr, weil Millionen sich im Auto auf den Weg zurück zur Natur machen.
Unsere private Beziehung zur Natur geht einfach davon aus, dass sie lebendig ist. Für einen mechanistischen Naturwissenschaftler, einen Technokraten, einen Wirtschaftsvertreter oder Bauunternehmer ist die Natur ein Neutrum und unbelebt. Man muss sie erschließen, das gehört zum Fortschritt. Aber außerhalb ihrer beruflichen Funktion haben auch solche Leute häufig eine ganz andere Einstellung. In Westeuropa und Nordamerika bringen es viele durch Ausbeutung der Natur zu Reichtum, damit sie sich dann etwas auf dem Land kaufen können, um »mal von allem weg« zu sein.
Dieses Auseinanderklaffen von öffentlich bekundeter Rationalität und privater Romantik gehört seit Generationen zur westlichen Lebensweise, aber erweist sich zunehmend als untragbar. Unser Wirtschaften lässt sich nicht unabhängig von der Natur betrachten, sondern zeigt weltweit Auswirkungen. Privatleben und öffentliches Leben erweisen sich zunehmend als miteinander verzahnt, und das neue Bewusstsein ist an einem wiedererwachenden Sinn für Mutter Erde oder
Gaia
zu erkennen. Und Göttinnen sind auch im naturwissenschaftlichen Denken zu finden, gleich unter der Oberfläche und sogar da, wo es besonders materialistisch zuzugehen scheint.
Die Göttinnen der Evolution
Einer der Pioniere des Evolutionsdenkens war Charles Darwins Großvater Erasmus Darwin, dem es darum zu tun war, die Natur mehr in den Mittelpunkt und Gott mehr an den Rand zu rücken. [78] Die spontane Evolution der Pflanzen und Tiere erschütterte die Naturtheologie und die Lehre vom Designer-Gott in ihren Grundfesten. Wenn die Natur selbst neue Lebensformen hervorbrachte, brauchte man keinen Gott, der sie »entwarf«. Erasmus Darwin nahm an, Gott habe das Leben oder die Natur von Anfang an mit Kreativität begabt, die sich dann selbst und ohne göttliche Anleitung oder göttliches Eingreifen ihren Weg suchte. In seinem Buch
Zoonomia
von 1794 (
Zoonomie
, 1799 ) stellt er eine rhetorische Frage:
Wäre es eine gar zu kühne Vorstellung, dass alle warmblütigen Tiere aus einer einzigen lebendigen Faser hervorgingen, welcher die große Erste Ursache Tiernatur verlieh und zugleich die Befähigung, neue Teile auszubilden, mit denen neue Antriebe verbunden sind, geleitet von Reizen und Empfindungen, Willensregungen und neuen Verbindungen und derart mit dem Vermögen begabt, sich durch das eigene innere Wirken immer weiter zu verbessern und die Verbesserungen durch Zeugung an die Nachkommen weiterzugeben immerdar? [79]
Für Erasmus Darwin war es demnach so, dass sich Lebewesen selbst vervollkommnen und die Ergebnisse dieses Mühens an die Nachkommen vererben. Auch Jean-Baptiste de Lamarck vertrat in seinem 1809 erschienenen Buch
Philosophie zoologique
(Zoologische Philosophie)
die Auffassung, dass Tiere aufgrund von Umweltbedingungen neue körperliche Merkmale entwickeln und solche Anpassungen an die Nachkommen vererbt werden. So schreibt er über die Giraffe:
Es ist bekannt, dass dieses Tier, das größte unter den Säugetieren, im Inneren Afrikas wohnt und in Gegenden lebt, wo der beinahe immer trockene und kräuterlose Boden es zwingt, das Laub der Bäume abzufressen und sich beständig anzustrengen, dasselbe zu erreichen. Aus dieser
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