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Der Wolf

Der Wolf

Titel: Der Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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aufzutun. Es gefiel ihnen, mit einem echten Schriftsteller zu reden. Manchmal fragte er sich, ob sie genauso scharf darauf wären, mit einem echten Mörder zu reden.
    Doch diese E-Mail spielte ihm in die Hände, und so meldete er sich an, bezahlte die fünfzig Dollar Seminargebühr mit seiner Kreditkarte und lud sich die Wegbeschreibung zu dem Hotel herunter, in dem die Veranstaltung stattfinden sollte. Es war eine zweistündige Fahrt bis zum Stadtrand von Boston – doch er schätzte, dass sich die Fahrt rentieren würde. Es machte dem Wolf Spaß, stets auf der Suche nach dieser oder jener Information zu sein. Kleine kriminalistische Details machten seine Texte lebendig, und vermutlich dachten andere Krimiautoren in dieser Hinsicht genau wie er.
    Allein der Gedanke, sich dem Rudel anzuschließen, amüsierte ihn.
    Schließlich hab ich es nicht nötig, wie die anderen Schreiberlinge mit ihren Romanreihen rund um eine Ermittlerfigur bei einem guten Agenten mit den Füßen zu scharren, während sie davon träumen, dass irgendein Verlag ihr vermeintliches Genie erkennt oder gar ein Filmvertrag winkt.
    Er hätte brüllen können vor Lachen, doch er beherrschte sich.
    Der Vortrag war auf den Abend angesetzt – was ihm nicht recht war. Er fuhr nicht mehr gerne im Dunkeln. Zwar hatte er noch recht gute Augen, doch unter der schleichend einsetzenden Abenddämmerung um diese Jahreszeit schienen seine Reaktionen zu leiden, so dass er ängstlicher fuhr. Dieses Bewusstsein der Schwäche oder, wenn man so wollte, der Sterblichkeit – wie er das hasste – rief ihm ins Gedächtnis, dass er unaufhaltsam älter wurde. Andererseits erfüllte ihn der Gedanke mit umso mehr Energie, wenn er an die drei Roten dachte.
    Töten kehrt die innere Jugend nach außen.
    Erinnerst du dich an das Gefühl beim ersten Kuss? Wie du zum ersten Mal die Brust eines Mädchens berührt hast? Wie du das erste Mal mit dem Daumen sacht eine Messerklinge gestreichelt hast, so dass eine feine Linie Blut auf deiner Haut erschien? Erinnerst du dich an den Geschmack? Oder wie es war, als du zum ersten Mal eine geladene Pistole in Händen hieltst? Wie du abgedrückt hast und wusstest, dass du mit einer leichten Bewegung deines Zeigefingers unendliche Kräfte freisetzt?
    Perfektion, dachte er.
    Diese Art von Leidenschaft muss man immer wieder aufs Neue entfachen.
    Widerstrebend löste sich der Wolf aus seinen Überlegungen über das Morden und widmete sich eine Weile der sauren Pflicht, einige Fragen an den Vortragenden aufzuschreiben und sich auszumalen, wie der Mann sie beantworten würde. Dabei stellte er sich vor, er sei ein fleißiger Doktorand, der sich auf die mündliche Abschlussprüfung vorbereitet – die letzte Hürde, die er nehmen müsste, bevor er den ersehnten Titel bekäme. Bei der Vorstellung musste er grinsen. Ein akademischer Grad in der Wissenschaft des Tötens. So oder so hielt er es für angebracht, sich auf die Veranstaltung vorzubereiten. Er wollte zeigen, dass er etwas von der Materie verstand, um dem Experten entsprechend detailliertes Fachwissen zu entlocken. Es war, als bäte man um Einlass an der Tür eines exklusiven Clubs mit handverlesener Mitgliedschaft.
    Eine Bemerkung fügte er dem Kapitel, an dem er schrieb, allerdings noch hinzu.
    Um ein erfolgreicher Mörder zu sein, muss man immer darauf aus sein, dazuzulernen. Allzu viele Kandidaten im Todestrakt starren durch die Eisenstäbe und warten bang auf das letzte Wort des Wärters, während sie sich fragen, wann genau alles aus dem Ruder lief. »Tut mir leid. Ihre Berufungsanträge wurden abgewiesen. Hätten Sie gerne einen Priester? Und zu Ihrer letzten Mahlzeit Hühnchen oder Steak?« Wenn man sich nicht ständig weiter über den Tod schult, dann erteilt einem früher oder später der Tod selbst seine Lehre. Und die Lektion erspart man sich besser.
    Eigentlich sollte dieser Gedanke für jeden Leser auf der Hand liegen, trotzdem verdiente er es, einmal in klarer, prägnanter Prosa festgehalten zu werden.
    Manchmal, so seine Erkenntnis, musste man schonungslos deutlich sein. Drastisch bis zur Obszönität. Im Wort wie in der – mörderischen – Tat.
     
    Jordan zählte stumm. Ein Schritt. Zwei. Zwanzig, fünfundzwanzig, dreißig. Sie lief diagonal über den offenen Innenhof und nahm sorgfältig Maß, ohne auf die anderen Schüler zu achten, die zu ihren letzten Unterrichtsstunden eilten.
    Sie hielt eine kleine Videokamera in der Hand.
    Es war eine Leihgabe eines der

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