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Der Wolf

Der Wolf

Titel: Der Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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zusammen, dass sie beinahe in die Luft gesprungen wäre.
    Die Frage kam vom Clubbesitzer.
    Karen atmete langsam durch.
    »Ja, schon gut«, antwortete sie.
    »Ich meine, Sie sehen aus, als hätten Sie ein Gespenst gesehen.«
    Gut möglich, dachte sie, vielleicht hab ich auch nur eins gehört.
    »Nein, mir fehlt nichts«, sagte sie. »Hatte nur den Eindruck, ich hätte jemanden wiedererkannt.«
    »Offenbar jemanden, den Sie lieber nicht sehen möchten«, sagte der Clubbesitzer. »Wenn Sie wollen, kann ich Sam bitten, Sie zu Ihrem Wagen zu begleiten, sobald der Typ nach Ihnen fertig ist.«
    Sam war der stämmige Barkeeper. Hinter dem Angebot steckte zweifellos die Vermutung, dass es um einen lästigen, abgeblitzten Liebhaber oder Ex-Mann ging.
    »Das wäre nett«, sagte sie ohne eine weitere Erklärung.
    »Ausgezeichnet. Lust auf einen Drink, um die Nerven zu beruhigen? Übrigens, Ihre Nummer, die lief toll heute Abend. Hat den Leuten offenbar gefallen.« Der Besitzer winkte eine Kellnerin heran.
    »Danke«, antwortete Karen. »Einen Scotch. Pur. Einen doppelten, und ein Bier dazu.«
    »Aufs Haus«, fügte der Besitzer hinzu, während er Karen zurück in die Kulisse führte.
    Es dauerte eine Weile, bis Karen wieder allein war. Sam stand am Vorhang, der Besitzer auf dem Podium, um die nächste Darbietung anzukündigen, während der Collegejunge es eilig hatte, loszulegen. Die Kellnerin kam und brachte ihr die Getränke und war schnell wieder verschwunden, um dahin zurückzukehren, wo Trinkgeld zu holen war.
    Karen kippte den Scotch hinunter und genoss, wie er ihr in der Kehle brannte. Für einen Moment war sie ein wenig benommen und wippte vor und zurück, als wäre sie schon betrunken. Sie musste ihre ganze Kraft zusammennehmen und sich wie ein Mantra immer wieder einhämmern, jetzt kann mir nichts mehr passieren, jetzt kann mir nichts mehr passieren, bevor sie es schaffte, das Handy aus der Tasche zu holen. Ein paar Sekunden lang starrte sie auf das Display. Hinter sich hörte sie, wie der Collegejunge derbe Witze riss und das Publikum johlte. Der ist gut, dachte sie, besser als ich.
    Sie drückte ein paar Tasten und hielt das Handy ans Ohr.
    Die Worte schlugen ihr im Stakkato entgegen, mal hastig, mal stockend, dann fast gekreischt.
    Karen konnte nur
Grab
und
Pfotenabdrücke
heraushören.
    Und den hysterischen Anfall. Schluchzen, Stöhnen – Panik. Das war nicht zu überhören.

[home]
    20
    Z unächst hielt Sarah in der Menge nach Karen Ausschau, doch plötzlich zögerte sie, weil sich in ihrem Kopf ein verrückter Gedanke breitmachte. Wenn sie Rote Eins entdeckte, dann täte es womöglich auch der Wolf. Es war, als säße er neben ihr und brauchte nur ihrer Blickrichtung zu folgen, damit er sie beide vor aller Augen töten könnte. Also zwang sie sich, nach vorne oder auf den Boden zu starren und möglichst selten Rote Drei zu beobachten. Sie fixierte eine Spielerin der gegnerischen Mannschaft, deren Namen sie auf den Flyern fand, die auf den überdachten Zuschauerbänken verstreut lagen, und tat so, als hätte sie etwas mit diesem schlaksigen Mädchen zu tun, das sie noch nie im Leben gesehen hatte.
    Auch diesmal hatte sie vor dem Schritt in die Öffentlichkeit sorgfältige Vorbereitungen getroffen, allerdings einmal ganz anders.
    Sie hatte eine billige, pechschwarze Perücke gefunden, die von einer Halloween-Party aus glücklicheren Tagen stammte. Sie hatte sich damals als Uma Thurman aus
Pulp Fiction
kostümiert, während ihr Mann im schwarzen Anzug zur schmalen Krawatte John Travolta als Auftragskiller Vincent gemimt hatte. Sie erinnerte sich, mit welchem Vergnügen sie auf der Tanzfläche die quälend langsamen, aufreizenden Bewegungen imitiert hatten, mit denen das Filmpaar das Publikum gefesselt hatte. Sie hatte eine der abgewetzten Baseballkappen ihres Mannes auf die Perücke gestülpt, damit sie nicht verrutschte.
    Dann hatte sie so lange in ihren Schränken gewühlt, bis sie ein paar ihrer alten Umstandskleider in einem Karton gefunden hatte, und sich mit einem Sofakissen und Paketklebeband in eine Schwangere etwa im fünften Monat verwandelt. Eine Sonnenbrille sowie ein zu großer, aus der Mode gekommener brauner Mantel rundeten die Verkleidung ab. Besser würde es auf die Schnelle nicht klappen.
    Sarah war nicht stolz auf ihr Werk und konnte beim besten Willen nicht sagen, ob der Wolf sie – insbesondere in einer Menschenmenge – erkennen würde. Wahrscheinlich würde er ihre Fährte aufnehmen, egal

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