Der Wolf der Wall Street: Die Geschichte einer Wall-Street-Ikone (German Edition)
eine fantastische Aussicht auf den Atlantischen Ozean, der nur einen Steinwurf entfernt war. Er war so nahe, dass ich die Brandung hören konnte. Um 20:30 Uhr war es noch so hell, dass sich der Horizont in eine wirbelnde Palette von Lila, Rosa und Mitternachtsblau verwandelte. Direkt über dem Atlantik hing ein unverschämt großer Mond. Dieser großartige Anblick war ein unbestreitbares Zeugnis der Wunder von Mutter Natur und er stand in krassem Gegensatz zum Restaurant, das total schrottig war! Weiße Metalltische verteilten sich auf einer grauen Holzterrasse, die dringend einen neuen Anstrich brauchte und unbedingt abgeschliffen werden musste. Wenn man barfuß darüber ging, landete man mit Sicherheit in der Notaufnahme des Southampton Hospitals, dem einzigen Krankenhaus in Southampton, das widerwillig auch Juden aufnahm. Und die Krönung waren ungefähr 100 rote, orangefarbene und lila Laternen, die an kreuz und quer über die offene Terrasse gespannten grauen Kabeln hingen. Das sah aus, als hätte jemand vergessen, die Weihnachtsbeleuchtung vom letzten Jahr abzunehmen - jemand mit einem ernsten Alkoholproblem. Und dann waren an strategischen Punkten noch Petroleumfackeln verteilt. Sie gaben ein schwaches oranges Glimmen von sich, das den ganzen Ort noch viel trauriger machte.
Aber Starr, der große bierbäuchige Besitzer des Restaurants, konnte für all das nichts - abgesehen von den Petroleumfackeln. Er war ein erstklassiger Koch und seine Preise waren mehr als vernünftig. Ich hatte einmal Mad Max mit hierher genommen, um ihm anschaulich zu erklären, wieso sich meine durchschnittliche Essensrechnung im Starr Boggs auf 10.000 Dollar belief. Er hatte da gewisse Verständnisschwierigkeiten, denn er wusste nichts von dem speziellen Rotwein, den Starr für mich lagerte und der im Schnitt 3.000 Dollar pro Flasche kostete.
Heute Abend hatten die Herzogin und ich zusammen mit Nadines Mutter Suzanne und der reizenden Tante Patricia schon zwei Flaschen 1985er Chäteau Margaux geköpft und waren schon mitten in der dritten angekommen - obwohl wir noch nicht einmal eine Vor speise bestellt hatten. Aber da Suzanne und Tante Patricia halbe Irinnen waren, war es kein Wunder, dass sie allem Alkoholischen gern zusprachen. Bisher hatten wir uns nur über harmlose Dinge unterhalten, denn ich hielt sie sorgfältig vom Thema internationale Geldwäsche fern. Ich hatte Nadine zwar erzählt, was mit ihrer Tante Patricia lief, aber ich hatte die Sache so gedreht, dass es vollkommen legal erschien; ein paar Feinheiten hatte ich übergangen, zum Beispiel die 1001 Gesetze, die wir brachen, und hatte mehr betont, dass Tante Patricia eine Kreditkarte bekommen würde und ihren Lebensabend im Luxus verbringen könnte. Aber nachdem sie ein paar Minuten lang auf der Innenseite ihrer Backe herumgekaut hatte und ein paarmal halbherzig gedroht hatte, hatte mir Nadine die Geschichte abgekauft.
Gerade erklärte Suzanne, dass das Aids-Virus eine Verschwörung der US-Regierung war, so ähnlich wie Roswell und die Ermordung Kennedys. Ich wollte genau zuhören, aber mich irritierten die lächerlichen Strohhüte, die sie und Tante Patricia aufhatten. Sie waren größer als mexikanische Sombreros und die Krempe war mit rosa Blümchen dekoriert. Man sah sofort, dass die beiden nicht in Jew-Hampton wohnten. Eigentlich sahen sie sogar aus, als kämen sie von einem anderen Planeten. Und während meine Schwiegermutter weiter über die Regierung schimpfte, stupste mich die köstliche Herzogin unter dem Tisch mit ihren hochhackigen Schuhen an und sagte mir damit: „Wieder die alte Leier!" Ich wandte mich ihr wie zufällig zu und schickte ihr ein angedeutetes Zwinkern. Ich kam gar nicht darüber hinweg, wie schnell sie nach Chandlers Geburt wieder zusammengeschnurrt war. Noch vor sechs Wochen hatte sie ausgesehen, als hätte sie einen Basketball verschluckt! Jetzt hatte sie wieder ihr Kampfgewicht erreicht - 51 Kilo massiver Stahl - und war bereit, mir bei der geringsten Provokation eine zu knallen. Ich fasste Nadines Hand und legte sie auf den Tisch, wie um zu zeigen, dass ich in unser beider Namen sprach, und sagte: „Deiner Meinung, dass die Presse und alles nur ein Haufen Lügen ist, kann ich nur zustimmen, Suzanne. Das Problem ist nur, dass die meisten Menschen das nicht so durchschauen wie du." Ich schüttelte gravitätisch den Kopf.
Patricia ergriff ihr Weinglas, nahm einen mächtigen Schluck und sagte dann: „Wie gut doch eine solche Meinung
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