Der Wolf der Wall Street: Die Geschichte einer Wall-Street-Ikone (German Edition)
Aluminium-Turms, der sich 41 Stockwerke hoch über die legendäre New Yorker Fifth Avenue erhob. Der Board Room war weitläufig und maß vielleicht 15 mal 20 Meter. Es war ein bedrückender Raum, vollgestopft mit Schreibtischen, Telefonen, Computerbildschirmen und einer Menge richtig widerlicher Yuppies, insgesamt 70 an der Zahl. Sie hatten ihre Jacketts ausgezogen und um diese Uhrzeit - 9:20 Uhr morgens - lehnten sie sich in ihren Stühlen zurück, lasen das Wall StreetJournal und beglückwünschten sich selbst dazu, dass sie die Herren der Welt waren.
Zu den Herren der Welt zu gehören schien mir ein nobles Ziel und als ich in meinem billigen blauen Anzug und meinen klobigen Tretern an den Herren vorbeiging, da wünschte ich, ich wäre einer von ihnen. Aber mein neuer Chef erinnerte mich schnell daran, dass dem nicht so war. „Dein Job" - er schaute auf das Plastik-Namensschild auf meinem Revers - „Jordan Belfort, ist der eines Vermittlers und das heißt, dass du 500 Telefonnummern am Tag wählst und versuchst, an Sekretärinnen vorbeizukommen. Du versuchst nicht, irgendetwas zu verkaufen oder etwas zu empfehlen oder irgendetwas zu machen. Du versuchst nur, die Unternehmenschefs ans Telefon zu kriegen." Er machte eine kurze Pause und spritzte dann noch mehr Gift. „Und wenn du dann jemanden ans Telefon kriegst, sagst du nur: ,Hallo, Herr Soundso, ich habe hier Scott am Telefon für Sie', dann gibst du mir den Hörer und wählst die nächste Telefonnummer. Glaubst du, dass du das schaffst, oder ist dir das zu kompliziert?" „Nein, das schaffe ich", sagte ich zuversichtlich, während die Panik mich wie ein Tsunami überrollte. Das Ausbildungsprogramm von LF Rothschild dauerte sechs Monate. Das würden harte sechs Monate werden, grässliche sechs Monate, in denen ich Arschlöchern wie Scott ausgeliefert sein würde, dem Yuppie-Schaumschläger, den anscheinend die feurigen Tiefen der Yuppie-Hölle ausgespuckt hatten. Ich betrachtete ihn heimlich aus dem Augenwinkel und kam zu dem Schluss, dass Scott wie ein Goldfisch aussah. Er war kahl und blass und seine wenigen Haare waren schmutzig-orange. Er war Anfang 30, ziemlich groß, hatte einen schmalen Kopf und blasse, wulstige Lippen. Er trug eine Fliege und sah damit lächerlich aus. Vor den braunen Glupschaugen trug er eine Nickelbrille, die ihn erst recht wie einen Goldfisch aussehen ließ.
„Gut", sagte der Schaumschläger-Goldfisch, „und jetzt die Grundregeln: Es gibt keine Pausen, keine privaten Anrufe, keine Krankheitstage, kein Zuspätkommen, keine Trödelei. Du hast 30 Minuten Mittagspause" - er machte eine effektheischende Pause - „und du kommst besser pünktlich zurück, denn wenn du Scheiße baust, warten 50 Leute darauf, deinen Schreibtisch zu übernehmen." Er sprach im Gehen weiter, ich ging einen Schritt hinter ihm und war von den Tausenden orange leuchtenden Aktienkursen hypnotisiert, die über die grauen Computermonitore rollten. An der Vorderseite des Raums gewährte eine Glaswand Aussicht auf die Manhattan Midtown. Geradeaus sah ich das Empire State Building. Es überragte alles, schien in den Himmel zu steigen und daran zu kratzen. Das war ein denkwürdiger Anblick, eine Aussicht, die eines jungen Herren der Welt würdig war. Aber in diesem Moment schien dieses Ziel in immer weitere Ferne zu rücken.
„Um die Wahrheit zu sagen", redete Scott weiter, „glaube ich nicht, dass du für diesen Job geeignet bist. Du siehst aus wie ein Kind und die Wall Street ist nichts für Kinder. Die ist was für Killer. Etwas für Söldner. Insofern hast du Glück, dass ich hier nicht für die Einstellungen zuständig bin." Er kicherte ironisch. Ich biss mir auf die Lippen und sagte nichts. Wir hatten das Jahr 1987 und Yuppie-Arschlöcher wie Scott schienen die Welt zu regieren. Die Wall Street befand sich mitten in einer rasanten Hausse und spuckte am laufenden Band neue Millionäre aus. Geld war billig und ein Mann namens Michael Milken hatte die sogenannten Junkbonds erfunden und damit die Art verändert, wie die amerikanische Unternehmenswelt ihre Geschäfte betrieb. Es war eine Zeit zügelloser Gier, eine Zeit mutwilliger Exzesse. Es war das Zeitalter der Yuppies.
Als wir uns seinem Schreibtisch näherten, wandte sich mein fleischgewordener Yuppie-Fluch zu mir um und sagte: „Ich sag's dir noch mal, Jordan: Du bist der Geringste der Geringen. Du machst nicht mal Kaltakquise, du bist ein Vermittler." Das Wort troff vor Verachtung. „Und bis du
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