Der Wolf
von
einem Wilderer, der wohl auf Vogeljagd gegangen war, mit
einer Ladung kleinkalibrigen Schrots angeschossen worden. Vermutlich hatte es einige Zeit gedauert, bis der Wolf
starb und seine Leiche, bei Hochwasser mitgerissen und
schließlich im Ufergebüsch festgeklemmt, von uns gefunden wurde. Der Sender hatte uns dorthin geführt.
Auch weitere von uns markierte Wölfe starben durch menschlichen Einfluß. Gleich am Anfang unserer Arbeit im Maiella-Gebiet hatten wir zwei adulte Weibchen aus benachbarten Rudeln gefangen. Zusammen mit dem einen Weibchen,
Wolf 7/8, lebten mindestens vier weitere Wölfe : wahrscheinlich ein adulter Rüde und drei Welpen. Im Frühjahr bekam
die Wölfin wieder Welpen. Die Höhle befand sich in einem
dichten Waldabschnitt an der Cresta Maggiore oberhalb
Cansanos. Luigi fand die Höhle und sah dort zwei Welpen ;
es können aber auch mehr gewesen sein. Den ganzen Sommer über war die Höhle der Sammelpunkt des Rudels. Im
darauffolgenden Winter gelang es mir, den adulten Rüden
und zwei inzwischen neun Monate alte Welpen zu fangen.
So hatten wir vier Tiere des Rudels unter Kontrolle.
Sie durchstreiften gemeinsam ein Gebiet von etwa zweihundert Quadratkilometern zwischen Sulmona, dem Passo
San Leonardo und Pescocostanzo. Bald fanden wir einen
der Welpen tot. Eine Untersuchung ergab, daß er Strychnin
gefressen hatte, das in einem Schafkadaver versteckt gewesen war. Auch der adulte Rüde starb wenig später, ebenfalls an Strychnin.
Für einen erfahrenen Wolf war dies ungewöhnlich. Der
Rüde war bei seinem Tod allerdings sehr abgemagert; vielleicht hatte der Hunger ihn unvorsichtig werden lassen. Sein
schlechter körperlicher Zustand wiederum ging womöglich
auf unser Konto. Er hatte sich nämlich in der Falle erheblich verletzt, und diese Wunde war immer noch nicht verheilt. Wir hatten sie zwar vernäht und dem Tier Penicillin gespritzt, aber es hatte nichts genutzt. So waren wir
bei unseren Bemühungen, die Wölfe in den Abruzzen zu
erhalten, möglicherweise mitschuldig am Tod eines sehr
wichtigen Tieres.
Diese Geschichte sowie die vielen bösen Verletzungen
bei den in unseren Wolfsfallen gefangenen Füchsen gaben
dann den Ausschlag für mich, die Tellereisen bei unserem
Projekt nicht mehr zu verwenden. In einer Empfehlung
an den WWF habe ich auch für weitere Wolfsschutzprojekte dringend empfohlen, Wölfe mit anderen Methoden
zu fangen.
Zum Verhalten adulter Wölfe gegenüber Strychnin machte
Luigi eine interessante Beobachtung. Als er nach dem Tod
des Rüden der Wölfin 7/8 in der Nähe von Campo di Giove
folgte, fand er unterwegs einen toten Hund. Zurück im
Dorf, erfuhr er, daß Gift in der Gegend ausgelegt worden
war und daß ein Hund, auf den die Beschreibung paßte, im
Dorf fehlte. Deshalb fuhr er am nächsten Tag wieder hinauf,
um den Hundekadaver mitzunehmen, fand aber nur noch
Reste davon. Vermutlich hatte die Wölfin inzwischen von
dem vergifteten Aas gefressen. Ganz entgegen dem wolfsüblichen Verhalten hatte sie aber die Eingeweide unberührt
gelassen, ja nicht einmal die Bauchhöhle aufgerissen.
Sicher ist dies noch kein Beweis dafür, daß sie »gewußt«
hatte, wie gefährlich der Verzehr dieser Teile sei. Strychnin soll auch für Wölfe ganz geruchlos sein. Trotzdem sind
gesunde erwachsene Wölfe außerordentlich vorsichtig im
Umgang mit vergiftetem Fleisch; die Wolfsjungen dagegen
fallen ihm leicht zum Opfer. Entsprechende Berichte liegen
uns aus Nordamerika vor, wo im 19. Jahrhundert ungleich
größere Mengen Strychnin als irgendwo sonst im Kampf
gegen Wölfe, Kojoten und andere Beutegreifer zum Einsatz gekommen sind.
Der zweite markierte Welpe verließ seine Mutter und das
Gebiet, in dem er aufgewachsen war, im Alter von zwölf
Monaten. Er machte lange Wanderungen und kam acht
Wochen später für kurze Zeit »nach Hause« zurück, zog
aber gleich wieder weiter. Den letzten Funkkontakt mit ihm
hatten wir im Nationalparkgebiet. Gern hätten wir mehr
über ihn gewußt, vor allem, durch welche Gebiete er zog,
doch es fehlte uns, wie gesagt, das Flugzeug. Als es dann
endlich zur Verfügung stand, funktionierte entweder der
Sender des Tieres nicht mehr, oder auch dieser Wolf war
irgendwo versteckt gestorben, so daß wir sein Signal nicht
empfangen konnten.
Der Sender der Mutter gab nach achtzehn Monaten Betriebszeit ebenfalls keine Signale mehr. Ich sah die Wölfin
vorher noch mit einem anderen Wolf, vermutlich einem
Rüden : vielleicht einem ihrer Söhne,
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