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Der Wolf

Der Wolf

Titel: Der Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Zimen
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vorbeikommenden Tier-Menschen
in die Tiefe. Alle diese Wesen waren von der Erde geschaffen. Die Tier-Menschen aber waren unwissend und selbstsüchtig. Daher sandte die Erde den Tier-Menschen den Wolf.
Er tötete die Monster und kämpfte gegen alles Böse. Überdies zeigte er den Tier-Menschen, wie sie sich am besten
verhalten sollten, und lehrte sie viele brauchbare Dinge.
Ständig wanderte er umher und vollbrachte gute Taten.
Schließlich schuf er aus den verschiedenen Körperteilen
eines getöteten Monsters den Menschen. Aus den Beinen
machte er die Menschen des Klickitat-Stammes, die besonders schnell laufen konnten, aus dem Rumpf die Indianer,
die am Fluß lebten, aus den Armen die Cayase-Indianer,
die besonders gut mit Pfeil und Bogen umgehen konnten.
So entstanden aus den einzelnen Körperteilen die verschiedenen Stämme mit ihren unterschiedlichen Eigenschaften.
Doch eins hatte der Wolf vergessen : den Menschen an der
Küste einen Mund zu geben. Als er zu Besuch kam, fand
er die Küsten-Indianer alle sehr abgemagert und hungrig.
Daher nahm er sein Messer und öffnete ihnen den Mund.
Da er jedoch in großer Eile war, leistete er schlechte Arbeit.
Seitdem sollen alle Indianer an der Küste einen häßlichen
Mund haben.
    Der Wolf war demnach eine gute, fast gottähnliche Erscheinung, etwas schlampig zwar, zu hastig und unüberlegt, aber
stets gütig, mitfühlend und weise. Auf einem berühmten
Totempfahl, dem vom Gitlatedanix, wird eine Geschichte
erzählt, die man immer wieder in abgewandelter Form findet : Ein Mann hilft einem Wolf, dem sich ein Holzstück
zwischen den Backenzähnen festgeklemmt hat. Der Wolf
revanchiert sich später, indem er für den Mann und seinen Stamm in Zeiten der Not Hirsche tötet.
    Tatsächlich können festgeklemmte Holzstücke einem Wolf
große Schwierigkeiten bereiten. Als Näschen nach seiner
viermonatigen Frei-Zeit zurückkam, fraß er zwar viel, machte
aber bald einen kranken Eindruck. Der Tierarzt untersuchte
ihn, fand jedoch nichts; so führte er Näschens Schwäche
auf Nahrungsmangel in der Freiheit zurück. Doch Näschen wurde immer kränker. Er roch stark aus dem Mund,
und dort fand ich endlich die Ursache seiner Krankheit :
ein zwischen den hinteren Zähnen im Oberkiefer festgeklemmtes Holzstück. Nachdem es entfernt war, ging es
Näschen binnen Stunden besser.
    Man könnte versucht sein, die Legende vom geretteten
Wolf, der aus Dankbarkeit für die Menschen jagt, als Beleg
für erste Domestikationsversuche zu deuten. Nach unserem
heutigen Wissen haben aber weder die Indianer noch die
Eskimos Nordamerikas versucht, Wölfe zu zähmen, etwa
indem sie gefundene Welpen bei sich aufzogen. Ihre Hunde
haben sie vermutlich aus Asien mitgebracht.
    Berichte alter Eskimos zeigen ein erstaunliches Wissen
über die Ökologie und das Verhalten des Wolfes. Auch sie
jagten ihn wegen seines Felles, später dann, um Abschußgelder der Regierung zu kassieren. Ebenso wie den Indianern fehlt den Eskimos indessen der Haß auf den Wolf,
der in anderen Gesellschaften so deutlich ist. Ihre Vorstellung deckt sich vielmehr weitgehend mit unserem heutigen
Bild vom Wolf. Nur in einigen Punkten gibt es Differenzen.
Nach der Vorstellung der Eskimos ist der Wolf nicht nur
äußerst intelligent, geschickt und sozial, was ihre Bewunderung hervorruft, sondern er handelt häufig auch einsichtig und vorsätzlich : eine Vorstellung von tierischem Verhalten, die mir nach vier Jahren Forschungsarbeit in den
Abruzzen nicht mehr so ganz abwegig erscheint.
    Wir haben allen Grund zu glauben, daß diese positive oder
wenigstens nicht negative Einstellung zum Wolf typisch war
für viele Gesellschaften auf der Stufe der Sammler, Jäger
und ersten Ackerbauern. Erst mit der extensiven Haltung
von Haustieren änderte sich das Bild.
Die ersten Hochkulturen
    In der altgermanischen Mythologie war der Wolf bereits
Symbol dunkler Mächte. Odin, auch Wotan genannt, Göttervater und Kriegsgott zugleich, wurde auf der Welt von
seinen beiden Wölfen Geri und Freki begleitet. Doch mit
dem Fenriswolf kam für ihn und die ganze Welt der Untergang – die »Götterdämmerung«. Im alten Ägypten galt der
Wolf wie auch sein domestizierter Nachfolger, der Hund,
als Wächter der Gräberstadt und Gott des Totenreiches. Es
gab eine ganze Stadt, die dem Wolfskult geweiht war, Lykopolis, was nichts anderes als »Wolfsstadt« bedeutet. Hier
herrschte der Wolfsgott Upuaut. Er schützte das Land vor
feindlichen Heeren und

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