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Der Wolf

Der Wolf

Titel: Der Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Zimen
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jüngeren Rüden das Rudel scheinbar
freiwillig ; andere indessen, so St. Oswald, versuchten trotz
heftiger Angriffe im Rudel zu bleiben und wurden schließlich nur durch größten Druck vertrieben. Doch das waren
Ausnahmen.
    Warum schaffen es einige Jungtiere, im Rudel zu bleiben
und hier bis in die höchste Position vorzustoßen, während
andere das Rudel verlassen ? Zwei typische Beispiele sind
Finsterau und Olomouc. Beide wuchsen sie in ein bestehendes Rudel hinein, und für beide ereigneten sich zur Zeit
ihrer Geschlechtsreife bei den ranghohen adulten Rudelmitgliedern Umwälzungen, an denen sie selber zuerst nicht
beteiligt waren, die sie aber zu ihrem Vorteil nutzen konnten. Dadurch übersprangen sie die rangniedrige Position
der Adulten und stießen gleich in die ranghöchsten Positionen des Rudels vor. – Falls diese von mir beobachteten
Vorgänge auch für andere Wolfsrudel typisch sind, ergibt
sich folgendes Bild: Im allgemeinen bleiben viele der heranwachsenden Jungwölfe bis zur Geschlechtsreife im Rudel.
Wenn zwischen der kleinen Gruppe alter, ranghoher Wölfe
stabile Verhältnisse herrschen, verlassen sie früher oder
später dann doch das Rudel und gehen eigene Wege. Nur
wenn in der ranghöchsten Gruppe Umwälzungen stattfinden, etwa weil einige der Älteren sterben oder durch Rangkämpfe ihre Positionen verlieren, können junge Tiere in
diese Gruppe vorstoßen und dadurch im Rudel bleiben.
Eine besonders gute Ausgangsposition dafür haben die
»Klein-Alphas« unter den Jungtieren.
    Demnach bewirkt ein hoher Rang zweierlei : Bei den Jungen
erhöht er die Chance, im Rudel zu bleiben, auch wenn eine
große Portion Glück dazugehört; bei den Älteren erhöht er
die Chance, sich an der Reproduktion direkt zu beteiligen,
also selber Junge zu bekommen. Oder mit den Worten der
modernen Evolutionsbiologen: Hoher Rang erhöht die persönliche Eignung (»fitness«), also die Möglichkeit, eigenes
Genmaterial in die nächste Generation überzuführen.
Die »eigennützigen« Gene
    Wenn aber nur jeweils zwei Tiere im Rudel Welpen zeugen
und auf diese Weise ihre Gene in der nächsten Generation reproduzieren, warum helfen dann die Juvenilen dem
reproduzierenden Paar (zumeist sind es ihre Eltern), die
Welpen, ihre jungen Geschwister, aufzuziehen ? Und warum
bleiben sogar einige geschlechtsreife Tiere im Rudel, die,
ohne selbst Junge zu bekommen, sich intensiv an der Aufzucht der fremden Welpen beteiligen ? Wird nicht dadurch
ihre individuelle Eignung (Fortpflanzungschance) verringert? Für unser Verständnis der letztlichen Ursachen für
die Rudelbildung bei Wölfen ist dies eine entscheidende
Frage. Betrachten wir dazu das Schicksal der aus dem Rudel
ausgeschiedenen
Tiere.
    Im Gehege lebten sie weitgehend voneinander isoliert,
ohne jeweils selber Welpen zu produzieren. In freier Wildbahn können sie sich aber entfernen, womöglich auch einen
Partner und ein nichtbesetztes Gebiet finden und hier selber Junge aufziehen. Wahrscheinlich ist dies der übliche
Anfang eines Rudels. Für die meisten Rudelabgänge stehen
die Chancen aber schlecht. Genaue Daten dazu aus Gebieten mit unterschiedlichen Beutetieren fehlen uns allerdings
noch. Trotzdem können wir davon ausgehen, daß es neuformierte Paare oder kleine Gruppen in Gebieten mit hoher
Wolfsdichte und etablierten territorialen Rudeln schwer
haben, ein eigenes Territorium zu finden und zu behaupten,
das groß genug ist, die Aufzucht von Welpen zu gewährleisten. In Gebieten mit großen Beutetieren haben es kleine
Rudel außerdem schwer, genügend und vor allem regelmäßig Beute zu erlegen, wodurch ihre Chancen, Welpen erfolgreich aufzuziehen, ebenfalls schlecht stehen, wie Beobachtungen auf Isle Royale gezeigt haben.
    Eine erhöhte Lebenserwartung beim Verbleib im territorial etablierten Rudel erklärt aber nicht, warum sich neben
den Eltern so viele weitere Rudelmitglieder scheinbar altruistisch an der Aufzucht der Welpen beteiligen.
    Damit kommen wir zu den modernen evolutionstheoretischen Vorstellungen von Sippenselektion (»kin selection«) sowie zu der von Hamilton und anderen eingeführten und sich wohl allmählich durchsetzenden Theorie der
»inclusive fitness«, was Wickler und Seibt mit »Gesamteignung« übersetzen. Danach ist es für den Reproduktionserfolg eines Tieres sinnvoll, sich an der Aufzucht verwandter Jungen zu beteiligen, wenn es selber nicht eigene
aufziehen kann. Denn diese Jungen haben mit ihm zum
Teil Gene gemeinsam :

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