Der Wolfsthron: Roman
Oder werden diejenigen, die Geoff unterstützt haben, sich um jemand anderen scharen?«
»Ich weiß es nicht«, gab Raisa ehrlich zu. »Wir brauchen bessere Informationen aus Arden.«
»Wir brauchen bessere Waffen«, entgegnete Micah. »Dann wären die Informationen nicht mehr so wichtig. Wenn der Magierrat zu dem Schluss kommt, dass Montaigne eine akute Bedrohung darstellt, weiß ich nicht, was geschieht.«
»Oh, fangt bloß nicht damit an«, sagte Raisa. »Sehen wir zu, dass wir den Rest dieses Tanzes zu Ende bringen, ohne über Politik zu sprechen.«
»Hmm. Worüber sprechen wir dann?« Er strich ihr über die Haare. »Erinnert Ihr Euch daran, wie wir uns früher von langweiligen Partys weggeschlichen haben?«
»Glaubt nur nicht, dass das heute Nacht passieren wird«, sagte Raisa. Sie hob den Kopf, und ihr Blick fiel auf Mellony, die vom Rand der Tanzfläche aus mit zusammengepressten Lippen zusah. Obwohl ihre Schwester ständig im Mittelpunkt männlicher Aufmerksamkeit stand, schien sie immer noch auf Micah fixiert zu sein.
Ich hoffe, das wird nicht ewig so gehen, dachte Raisa.
Dann tanzten sie schweigend weiter, bis die Melodie verklang. Raisa löste sich von Micah, aber er ließ seine Hände auf ihren Schultern liegen. »Was habt Ihr nach dem Ball vor?«, fragte er. »Ich kenne einen Ort, wo wir allein sein könnten.«
»Das reicht , Micah«, entgegnete Raisa scharf. »Ich werde allein in mein Bett gehen.«
»Oh, nun. Das ist aber schade, Eure Hoheit«, flüsterte jemand fast in ihr Ohr.
Sie wirbelten beide herum. Han Alister verneigte sich. »Ich glaube, ich bin der Nächste auf der Karte«, sagte er.
»Ihr?« Micah sah ihn von oben bis unten an, dann wandte er sich an Raisa. » Alister steht auf Eurer Tanzkarte?«
Raisa schaute nach. »Scheint so zu sein.« Sie war selbst überrascht, als sie seinen Namen erblickte. Er hatte noch nie zuvor mit ihr getanzt, bei keiner der Partys, die der Krönung vorausgegangen waren.
»Wieso Ihr?«, fragte Micah mit zusammengezogenen Brauen.
»Wieso nicht?«, fragte Han. Er stand da, das Kinn gereckt; seine Haltung und sein Ausdruck eine einzige Drohung. Die Herausforderung eines Streetlords.
»Was habt Ihr da auf Euren Stolen?«, fragte Micah nicht minder verächtlich. »Eine Krähe? Ich hätte gedacht, dass eine Ratte passender wäre.«
»Es ist ein Rabe«, berichtigte Han. »Bekannt dafür, dass er klüger ist, als man denkt.« Er nahm Raisas Hand und führte sie in den Tanz, während Micah ihnen hinterherstarrte. Nach den Ereignissen der letzten Nacht wusste Raisa nicht, was sie zu erwarten hatte. Aber er hielt sie angemessen auf Armeslänge von sich entfernt, als wäre dieser Tanz etwas, das er hinter sich bringen müsste – vielleicht, um Micah etwas zu beweisen.
»Versuch so auszusehen, als wärst du nicht gern mit mir zusammen«, sagte Han, während er seinen Blick über die anderen Tänzer schweifen ließ.
»Woher willst du wissen, dass ich gern mit dir zusammen bin?«, entgegnete Raisa scharfzüngig. Han starrte sie für einen Moment einfach nur an, und dann zuckte sein Mund, als unterdrückte er ein Lächeln.
Raisa kümmerte es nicht. Sie hatte es satt, von Han Alister hierhin und dorthin gezogen zu werden: heiße Küsse und schwindelig machende Nähe gefolgt von einem steifen Arm.
Es war das erste Mal, dass sie miteinander tanzten, seit sie in Odenford, oben in der Schildkröte, geübt hatten. Sie nahm ganz bewusst den Abstand zwischen ihnen wahr, ebenso wie seine Hände auf ihrer Schulter und an ihrer Hüfte lagen.
»Du bist wirklich nicht schlecht, Alister«, stellte Raisa fest. Erinnerungen an Odenford überkamen sie – an unkomplizierte Küsse und an eine Freundschaft mit weniger Hindernissen.
Han’s Aufmerksamkeit galt jedoch ganz dem Geschäftlichen. »Montaigne hat abgesehen von seiner Wache noch etwa zwei Dutzend Bedienstete mitgebracht, die ziemlich nach Soldaten oder irgendwelchen Schlägern aussehen«, murmelte er. »Cat lässt sie beschatten. Wir müssen wissen, ob er noch mehr Leute hier hat.«
»Wo hat Cat so schnell Leute aufgetrieben?«, fragte Raisa.
»Sie hat sie in Ragmarket und Southbridge rekrutiert.« Er beugte sich näher zu ihr. »Sie sagt, ich soll dir mitteilen, dass sie Montaigne für dich töten wird, wenn du das willst. Niemand wird jemals eine Verbindung zu dir herstellen können.«
»Was?« Raisa packte Han’s Kragen und zog ihn näher zu sich heran. Sie starrte ihn finster an. »Sag ihr, dass sie das
Weitere Kostenlose Bücher