Der Wolfstrank
säuerlichen Grinsen, und auch ich war nicht eben begeistert. Wir mussten allerdings zugeben, dass die Einsamkeit dieser Landschaft für einen Werwolf durchaus seine Vorteile besaß, denn nach irgendwelchen Verstecken brauchte er nicht erst zu suchen.
Wir suchten Marlene King und wenn möglich auch ihre Enkelin. Wo sie lebte, hatte uns Dennis Fenton nicht direkt gesagt. Er hatte von außerhalb gesprochen.
Da wir nicht lange herumsuchen wollten, war es besser, einen Bewohner zu fragen.
Obwohl der Sonnenschein die Gegend nicht eben verwöhnte, waren die Menschen nicht unbedingt in den Häusern geblieben. An einem Haus mit Vorgarten hielten wir an. Ein älterer Mann war damit beschäftigt, Unkraut zwischen seinen Blumen zu jäten. Als die Autotüren zuschlugen, erhob er sich aus seiner gebückten Haltung.
Wir traten an den Lattenzaun heran und winkten ihm zu. Der Mann verengte seine Augen. Es war zu sehen, dass er von Fremden nicht viel hielt. Mit langsamen Schritten kam er näher. Mir fiel auf, dass er an den Füßen Holzlatschen trug. Die mit drei Zinken bestückte Jätgabel hielt er wie ein Messer in der Hand. Sie konnte auch zu einer Waffe werden, wenn er es wollte.
Wir waren nur schlecht aus London herausgekommen. Inzwischen war es längst später Nachmittag geworden. So lange die Helligkeit noch über dem Land lag, waren wir zufrieden.
Ich grüßte freundlich, was den Mann zu einem Nicken veranlasste. »Haben Sie sich verfahren?«
»Nein, Mister, das nicht. Wir wollen nur jemand hier in Common besuchen, wissen aber nicht, wo er wohnt.«
»Ach, wen denn?«
»Marlene King.«
»Hm.« Es war ihm nicht anzusehen, ob ihm unsere Frage gefallen hatte. Zunächst erwiderte er nichts. Dann fragte er: »Was wollen Sie denn von ihr?«
»Wir möchten etwas abgeben.« Ich hatte mir die kleine Notlüge schon zurecht gelegt. »Und zwar von einem jungen Mann, der ebenfalls hier gewohnt hat. Kennen Sie Dennis Fenton?«
»Klar.« Jetzt wurde er zugänglicher. »Aber der lebt nicht mehr hier. Er ist nach London gezogen.«
»Das wissen wir, denn genau von dort kommen wir her. Wir haben ihn da kennen gelernt.«
»Ja, gut, verstehe. Und was wollen Sie von ihm?«
»Von ihr. Von Marlene King. Nur etwas abgeben, das ist alles.«
»Okay, dann hören Sie zu. Die Marlene wohnt nicht direkt hier im Dorf. Etwas außerhalb. Das Haus steht allein. Sie müssen den schmalen Weg nehmen, der in südliche Richtung führt. Sie sehen da einen dichten Waldrand. Zwischen dem Dorf und dem Wald steht ein einzelnes Haus. Da finden Sie Marlene.«
»Danke.«
»Wenn Sie um die nächste Kurve fahren, finden Sie auch den Weg.«
»Fabelhaft«, sagte ich. »Und noch etwas. Sie haben wunderbare Blumen im Garten. Kompliment.«
»Die habe ich im letzten Herbst selbst gepflanzt. Sie sind wirklich toll aufgegangen.«
Noch einmal ihm zuwinkend, zogen wir uns zurück.
»Raffiniert gemacht«, sagte Suko, als wir wieder im Rover saßen. »Der Knabe sah mir sehr verstockt aus.«
»Kein Wunder bei dieser Gegend.«
Der Weg war schnell gefunden. Er war auch nicht viel schlechter als die normale Hauptstraße des Ortes. Nur führte er nicht zwischen Häusern entlang, sondern hinein in die freie Natur, und selbst aus einer größeren Entfernung konnten wir den dunklen Saum des Waldes erkennen, der aussah wie ein dunkler Schatten.
Dazwischen stand das Haus.
Ein Hexenhaus!, dachte ich, als ich es dort in der Einsamkeit stehen sah. Es gab wirklich nichts um das Haus herum, nur eben die freie Natur, und die war auch nicht kultiviert worden, denn es gab nur die Wiesen.
Im Hintergrund türmten sich einige Hügel hoch, die bewaldet waren. Wer daran Spaß hatte, konnte hier herrlich wandern, nur stand uns danach nicht der Sinn.
Der Weg wuchs in der Nähe des Hauses immer mehr zu, so dass wir schließlich über eine grüne Fläche fuhren und wenig später den Rover nur ein paar Schritte vom Haus entfernt stoppten.
Wir waren noch nicht ausgestiegen, als Suko sagte: »Das macht mir einen ziemlich verlassenen Eindruck.«
»Was hast du denn erwartet?«
»Dass man uns entgegengekommen wäre. Schließlich ist ein Auto auf der freien Fläche gut zu sehen.«
Ich hob nur die Schultern und stieg aus. Wenig später hatte auch Suko den Rover verlassen. Nebeneinander schritten wir auf den Eingang zu. Es gab wirklich nichts Auffälliges an diesem alten Haus zu entdecken. Nur eben, dass es nicht in die moderne Zeit hinein passte und sicherlich schon Jahrzehnte auf dem
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