Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Wolfstrank

Der Wolfstrank

Titel: Der Wolfstrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
jetzt nicht mehr korrigieren. Das Zeug steckte in ihr und breitete sich noch stärker aus, denn durch ihren Körper zogen Hitzebahnen.
    Immer wenn sie Luft holte, klang es wie ein hartes Keuchen. Sie stand unter einem wahnsinnigen Druck, und selbst das Stehen an der Wand bereitete ihr Mühe.
    Die Wärme verteilte sich. In den Füßen hielt sie sich auf. In den Beinen, im Oberkörper ebenfalls, und sie war sogar in den Kopf gestiegen, als wollte sie das Gehirn verbrennen.
    So etwas hatte sie noch nie im Leben durchlitten. Verzweifelt bemühte sich Marlene, sich auf ihre Enkelin zu konzentrieren. Sie wollte Lucy unbedingt ansprechen und suchte nach den passenden Worten. Die fand sie auch, nur war es nicht so einfach, sie auch auszusprechen. Nach einigen Anläufen gelang es ihr, sich einigermaßen verständlich zu machen.
    »Bitte... bitte... was hast du mir da zu trinken gegeben? Sag es, Kind, sag es...«
    Das Mädchen lachte. »Was willst du, Großmutter? Ich habe es auch getrunken.«
    »Aber ich bin nicht du.«
    »Weiß ich. Nur gehörst du jetzt zu uns, Großmutter.«
    Marlene King hatte alles gehört. Sie ahnte, was das bedeuten konnte, aber sie stemmte sich in ihrem Innern noch dagegen. Sie wollte es einfach nicht wahr haben.
    »Wieso zu euch?«
    »Du hast den Wolfstrank zu dir genommen.«
    Das war es. Ja, genau das war es. Wie habe ich mich nur so reinlegen lassen können?, fuhr es ihr durch den Kopf. Das ist kein normaler Kräutertrank gewesen, da steckt mehr, viel mehr dahinter. Es war ein Trank, der verändert und aus einem Menschen etwas anderes machen kann.
    »Stimmt das?«
    »Ja, Großmutter.«
    »Und du hast ihn auch getrunken?«
    »Sehr gern sogar.«
    Marlene musste erst Luft holen. »Was... was passiert denn jetzt mit mir? Ich spüre ihn ja, wie er in mir arbeitet. Er ist so heiß wie Feuer. Ich brenne innerlich. Er brennt mir alles kaputt. Ich fühle mich, als müsste ich sterben.«
    »Das wirst du nicht, Großmutter, du wirst nur zu einer anderen. Nicht sofort, ganz allmählich. Du spürst es, wenn er sich mal richtig ausgebreitet hat...«
    »Nein, nein, ich hasse ihn!«
    »Es gibt kein Zurück mehr.«
    »Was passiert genau?«
    »Du wirst dich verwandeln, Großmutter. Du wirst nicht nur zu einem normalen Wolf, sondern zu einem Werwolf, der immer auf den Vollmond lauert, um sich verwandeln zu können. In der Zwischenzeit läufst du als Mensch herum, aber wenn der Rhythmus vorbei ist, dann kommt es wieder über dich.«
    Marlene hatte jedes Wort sehr genau gehört. Sie war auch nicht dumm. Zwar kannte sie sich auf dem Gebiet der Werwölfe nicht besonders aus, aber immerhin wusste sie, dass Geschichten über diese Kreaturen geschrieben worden waren, die sie natürlich nie geglaubt hatte.
    Und jetzt sollte ihr das Unwahrscheinliche widerfahren sein?
    Das konnte sie einfach nicht akzeptieren. Dagegen musste man sich wehren. Sie wollte nicht wie ihre Enkelin in diesem verdammten Wald verrotten. Sie besaß ein Haus, in dem sie sich wohl fühlte. Sie besaß eine Heimat. Es war alles so wunderbar geregelt, und sie hatte ihrer Enkelin ebenfalls ein gutes Zuhause gegeben. Aber das zählte alles nicht mehr. Sie hatte den verdammten Wolfstrank zu sich genommen, und dieses Wissen überschwemmte alles. Es war furchtbar. Marlene wollte auch nicht näher darüber nachdenken und versuchte, eine Sperre in ihrem Gehirn zu errichten, aber das gelang ihr nicht.
    Sie konzentrierte ihren Blick auf Lucy. Wie hatte sich das Kind verändert! Es war erwachsen geworden. Es lächelte wie ein Erwachsener, und der Ausdruck in seinen Augen war und blieb fremd. Das kalte Licht strahlte Marlene entgegen. Diese Augen hatten mit denen eines Menschen nichts mehr gemeinsam.
    »Bitte... Kind...«
    »Ich bin nicht dein Kind. Wir gehören noch immer zusammen, aber wir gehören zugleich einem anderen.«
    »Wo ist er?«
    »Im Wald. Er hat dich längst gesehen, aber er hat mir sein Vertrauen geschenkt, und ich habe es nicht enttäuscht, Großmutter. Wir sind zu einer eigenen kleinen Familie geworden, stell dir das einmal vor. Ich weiß auch, dass die Familie noch größer werden wird. Immer wenn der Vollmond am Himmel steht, werden wir auf die Jagd gehen und unsere Familie vergrößern.«
    »Nein, ich will das nicht.«
    »Du kannst dich nicht dagegen wehren, Großmutter, der Trank ist einfach zu stark. Auch ich spüre ihn in mir, und ich merke, wie er immer weiter arbeitet. Ich bin noch längst nicht fertig, sondern erst im Entstehen oder Werden.

Weitere Kostenlose Bücher