Der Wolkenatlas (German Edition)
jetz wo die Talfraun hier keine Babbas mehr kriegten, un ich wünschte mir die Äbtissin wär da un tät mich lehrn, weil ich konnts nich sagen un Meronym auch nich. Wir Prescients , antwortete sie nach ner Weile, glauben, wenn du stirbst dann stirbst du un kommst nie mehr zurück.
Aber was is mit deiner Seele?, fragte ich.
Prescients glauben nich dass es ne Seele gibt.
Aber is Sterben nich ensetzlich kalt wenn hinterher nix mehr is?
Ja , sagte sie mit so was wie nem Lachen wo aber kein Lächeln drin war, unser Wahr ist furchbar kalt.
Nur dies eine Mal war sie mir am Leid tun. Seelen ziehn übern Himmel vonner Zeit, würd die Äbtissin sagen, wie Wolken übern Himmel vonner Welt ziehn. Sonmi is Osten un Westen, Sonmi is die Karte un der Karte ihre Ränder un was hinter den Rändern is. Die Sterne warn am Leuchten un ich hielt als Erster Wache, aber ich wusste dass Meronym nich schlief, nee, sie tat sich unter ihrer Decke wälzen un war am Grübeln bis sie aufgab un sich mit mir zusamm den mondhelln Wasserfall bekuckte. Fragen kwälten mich wie n Mückenschwarm. Die Feuer von den Talleuten un Prescients werden heut Nacht ausgetreten , sprach ich, is das nich n Beweis dass Wilde stärker sind wie Zivlesierte?
Es sind nich die Wilden wo stärker sind wie Zivlesierte , sagte Meronym, es sind Viele wo stärker sind wie Weniche. Unser Clever hat uns viele Jahre n Vorteil gegeben, so wies mein Schießer am schiefen See gemacht hat, aber mit genuch Händen un Köpfen wird dieser Vorsprung eines Tags ausgelöscht.
Dann is wild sein also besser als wie zivlesiert sein?, fragte ich.
Was is die nackte Bedeutung hinter diesen beiden Worten?
Wilde ham keine Gesetze , sagte ich, aber Zivlesierte ham welche.
Es ist mehr als wie das. Der Wilde stillt sein Verlang. Wenn er hungrich is, isst er. Wenn er Wut hat, hakelt er. Wenn er spitz is, knallt er ne Frau. Sein Wille is sein Herr, un wenn sein Wille bestimmt: ‹Töte›, dann tötet er. Wie n Raubtier.
Ja, das warn die Kona.
Der Zivlesierte hats selbe Verlang, aber er kuckt weiter. Die Hälfte von seim Essen isst er gleich, ja, aber die andre flanzt er ein damit er morgen keinn Hunger kriegt. Wenn er Wut hat, bleibt er stehn un denkt nach warum, damit er beim näksten Mal keine Wut mehr kriegt. Wenn er spitz is, na ja, er hat Schwestern un Töchter wo geachtet werden müssen, drum tut er auch die Schwestern un Töchter von seinn Brüdern achten. Sein Wille is sein Sklave un wenn sein Wille bestimmt: ‹Tus nich!›, dann lässt ers sein.
Dann is wild sein doch besser als wie zivlesiert sein?, fragte ich wieder.
Hör mir zu, Zachry, Wilde un Zivlesierte werden nich von Stämmen oder Glauben oder Gebirgszügen getrennt, nee, jeder Mensch is beides. Die Alten hatten das Clever von den Göttern aber die Wildheit von Schakaln, un das hat zum Untergang geführt. Manche Wilde wo ich kenn ham n schönes zivlesiertes Herz unter ihrn Rippen schlagen. Vielleicht auch n paar Kona. Nich genuch fürs Bestimm über ihrn ganzen Stamm, aber wer weiß was eines Tags sein wird.
‹Eines Tags› war für uns ne Hoffnung so winzich wie n Floh.
Ja , erinner ich Meronym sagen, aber Flöhe wirst du nich so leicht los.
Wie meine Freundin eingeschlafen war, warf die Mondin ihr Licht aufn boah seltsames Mal auf ihrer Haut, gleich unter ihrm Schulterblatt. Wie n winzicher Handabdruck war das, ja, n Kopf mit seks Strahlen dran. Ich legte die Decke drüber damit sie sich nich erkälten tat.
Der Mauka schlängelte sich sprudelich durchs dunkle Mauka Tal, ja, er musste sein Wasser nur fümf-seks Häusern geben, weils Tal war kein freundlicher sommerlicher Ort, nee. Keiner im Mauka Tal hatte Ziegen, drum war der Weg mit Ranken un Dornbüschen zugewaksen wo eim die Augen ausstachen wenn man nich aufpassen tat, un fürs Ferd wars n mühsames Voran. Nach ner Viertelmeile war ich schlimm zerkrazt, obwohl ich im Schutz von Meronym ging. Das letzte Haus talauf un das erste wo wir hinkamn wars Heiliche Sonmi Haus. Dem sein Oberster war n Einäugicher nams Silvestri wo Taro un Hafer anbaute. Der Flüster meinte, Silvestri würd seine vieln Töchter mehr lieb ham als wies die Natur vorsehn tat un bewarf ihn mit Dreck, weil er bezahlte seinn Anteil an die Gemeinde nich. Überall im Hof lag Wäsche rum, un die Töchter warn mitgenommn worden, aber Silvestri war nirgns hin, nee, sein abgeschnittner Kopf steckte auf nem Fahl drauf un kuckte uns beim Näherreiten zu. Er war schon ne Weile da oben, weil er
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