Der Wolkenatlas (German Edition)
fürs uns Verfolgen zu viel mit ihrn Toten un Ertrunknen zu tun, ja. Wir gingn durch die alleinsamen Dünen un kamn sicher zu Ikat’s Finger. Noch warn keine Kajaks da, aber wir saßen ab un Meronym tat sich mit ihrm Clever um den Feil in meiner Wade kümmen. Wie sie ihn rauszog, wanderte der Schmerz meinn Körper rauf un deckte meine Sinne zu, drum hab ich wahr gesprochen nich gesehn wie Duophysite un die Mauikajaks kamn. Jetz musste meine Freundin n Enscheid treffen, ja, enweder sie packte mich ins Kajak rein oder ließ mich auf Big Isle, nur n kurzen Ritt wech von Konagebiet, obwohl ich nich gehn konnt un nix. Na, ich sitz jetz hier un tu euch fabeliern, drum wisst ihr wie Meronym enscheiden tat, un manchmal bedauer ich ihre Wahl, ja, un manchmal tu ichs nich. Wies Singen von den Paddlern mich aufweckte warn ich un mein neuer Stamm schon halb über die Meerenge rüber. Meronym wekselte meinn blutichen Verband, den Schmerz hatte sie mit irgnner Clevermedzin fast taub gemacht.
Von unten aus dem Kajak sah ich den kwabblichen Wolken zu. Seeln wandern durch die Zeiten wie die Wolken übern Himmel, un wenn ner Wolke ihre Form un Farbe un Größe auch nie dieselbe bleibt, is sie doch immer ne Wolke, un genauso isses mit ner Seele auch. Wer weiß schon, von wo ne Wolke hergeweht is un was fürn Mensch ne Seele morgen sein wird? Nur Sonmi, der Osten un der Westen un der Kompass un der Atlas, ja, nur der Atlas von den Wolken.
Duophysite sah dass meine Augen offen warn un er zeigte mir Big I, purpur im blauen Südosten, un den Mauna Kea wo seinn Kopf verbarg als wie ne schüchterne Braut.
Ja, so klein warn meine ganze Welt un mein ganzes Leben geworden, dass sie in das O von meim Finger un meim Daumen reinpassten.
◆ ◆ ◆
Mein alter Pa Zachry war n komischer Kerl, das will ich nich verleuknen jetz wo er tot is. Ach, die meisten von Pa seinn Fabeln warn bloß leere Entenfurze, un wie er alt un spinnrich war glaubte er sogar, Meronym die Prescient wär seine kostbare geliebte Sonmi, ja, da wollt er nich von runter, er würds genau wissen, meinte er, wegen irgnwelchen Muttermals un Kometen un so.
Ob ich seine Fabel von den Kona un seiner Flucht von Big I glauben tu? In den meisten Geschichten steckt n bisschen Wahr drin, in manchen mehr un in n paar wenichen n ganzer Haufen. Das mit Meronym der Prescient is wohl meistenteils wahr. Wie mein Vater gestorben is, ham meine Schwester un ich sein Zeug durchsucht un ich hab sein silbernes Ei gefunden wo er in seinn Fabeln ‹Orator› nannte. Es is wie Pa gesagt hat, wenn man das Ei inner Hand wärmn tut, kommt n schönes Mädchen raus un spricht in ner alten Sprache wo kein Lebendicher versteht, nee, un auch nie verstehn wird. S is kein Clever wo du brauchen kannst, weil es tötet keine Konapiraten und leere Bäuche fülln tuts auch nich, aber an manchen Abends wecken meine Verwanten un Brüder das Geistermädchen auf un kucken zu wie sie schwebt un schimmert. Wunderschön is sie, un sie macht die Kleinen staunen un ihr Flüstern wiegt unsre Babbas in n Schlaf.
Setzt euch für n Augnblick oder zwei.
Haltet eure Hände auf.
Da.
Sonmis Oratio
Aber wer war Hae-Joo Im, wenn nicht genau der, als der er sich ausgab?
Zu meiner Überraschung beantwortete ich diese Frage selbst:
‹Union.›
Hae-Joo sagte: ‹Die Union ist meine Ehre und meine Bürde, ja.›
Student Xi-Li war xtrem aufgeregt.
Hae-Joo stellte mich vor die Wahl: Entweder ich vertraute ihm, oder ich würde innerhalb der nächsten Minuten sterben.
Mit einem Nicken gab ich ihm zu verstehen, dass ich ihm vertraute.
Wie aber konntest du ihm glauben? Schließlich hatte er dich schon über seine ID belogen. Woher wusstest du denn, dass er dich nicht entführen wollte?
Ich wusste es nicht. Ich folgte meinem Gefühl und hoffte, dass ich mich in seinem Charakter nicht getäuscht hatte. Wir überließen Timothy Cavendish seinem unbekannten Schicksal und eilten durch das Treppenhaus unserem eigenen Schicksal entgegen; Fahrstühle können Seelen lesen und waren zu gefährlich. Flure zogen vorbei, Brandschutztüren flogen auf, Durchgänge verschwanden in der Dunkelheit. Die Treppen musste mich Hae-Joo fast hinuntertragen; ohne seine Hilfe wäre ich zu langsam gewesen.
Im Kellergeschoss wartete Herr Chang in einem unauffälligen Ford. Für eine Begrüßung blieb keine Zeit. Der Ford raste durch Tunnel und über unterirdische Parkplätze. Herr Chang warf einen Blick auf seinen Sony und meldete, dass die
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