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Der Wolkenatlas (German Edition)

Der Wolkenatlas (German Edition)

Titel: Der Wolkenatlas (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Mitchell
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Aber es wird geschehen. Ich bitte Sie! Verlassen Sie sofort die Stadt. Geben Sie Ihr altes Leben und Ihren Job auf und tauchen Sie unter.»
    «Alberto Grimaldi schickt Sie, um mir das zu sagen, stimmt’s?»
    «Niemand weiß, dass ich hier bin – hoffentlich, sonst stecke ich genauso in Schwierigkeiten wie Sie.»
    «Eine Frage noch.»
    «Sie wollen wissen, ob …», er wünscht sich, das Kind wäre nicht dabei, «… ob ich für Sixsmiths ‹Schicksal› verantwortlich bin? Die Antwort lautet Nein. Solche Arbeiten … damit habe ich nichts zu tun. Ich behaupte nicht, dass ich unschuldig bin. Ich sage nur, dass meine einzige Schuld darin besteht, dass ich weggesehen habe. Grimaldis Killer hat Sixsmith ermordet und Sie gestern Nacht von der Brücke gedrängt. Er heißt Bill Smoke – vermutlich nur ein Name von vielen. Ich kann Sie zwar nicht dazu zwingen, aber ich hoffe, Sie glauben mir auch so.»
    «Woher wussten Sie, dass ich noch am Leben bin?»
    «Nur eine vage Hoffnung. Hören Sie, das Leben ist mehr wert als ein verdammter Exklusivbericht. Ich bitte Sie zum allerletzten Mal, diese Story sausen zu lassen. Ich muss jetzt gehen, und ich hoffe bei Gott, dass Sie dasselbe tun.» Er steht auf. «Eine Sache noch. Können Sie mit einer Waffe umgehen?»
    «Ich bin allergisch gegen Waffen.»
    «Wie meinen Sie das?»
    «Von Waffen wird mir übel. Im wahrsten Sinne des Wortes.»
    « Jeder sollte lernen, mit einer Waffe umzugehen.»
    «Klar, die meisten von denen können Sie sich im Leichenschauhaus angucken. Bill Smoke wird kaum höflich abwarten, bis ich meine Pistole aus der Handtasche gekramt habe. Mir bleibt nur ein Ausweg. Ich muss Beweise finden und diese Leute so gründlich auffliegen lassen, dass es keinen Sinn mehr hätte, mich umzubringen.»
    «Sie unterschätzen die banalen Rachegelüste der Menschen.»
    «Warum sind Sie so besorgt um mich? Sie haben Ihre Schuld an Dad zurückgezahlt und Ihr Gewissen damit beruhigt.»
    Napier gesteht sich mit einem verdrießlichen Seufzen ein, dass er mit seinem Latein am Ende ist. «War nett, mit dir Baseball zu gucken, Javi.»
    «Sie sind ein Lügner», erwidert der Junge.
    «Ja, ich habe gelogen, aber das macht noch keinen Lügner aus mir. Lügen ist unrecht, aber wenn die Welt sich rückwärts dreht, kann ein kleines Unrecht manchmal das einzig Richtige sein.»
    «Das ist doch Mist.»
    «Da hast du verdammt Recht, aber trotzdem ist es so.»
    Joe Napier geht zur Tür.
    Auf Luisa ist Javier genauso sauer. «Und du tust immer so, als würde ich mit meinem Leben spielen, bloß weil ich über ein paar Balkons springe?»
     
    47
     
    Die Schritte von Luisa und Javier hallen durchs Treppenhaus. Javier späht über das Geländer. Die Stockwerke verjüngen sich nach unten hin, wie die Windungen eines Schneckenhauses. Sein Atem stockt, ihm wird schwindlig. Beim Hinaufsehen ist es dasselbe. «Würdest du in die Zukunft gucken, wenn du könntest?»
    Luisa hängt sich ihre Tasche über die Schulter. «Kommt drauf an, ob ich sie ändern könnte.»
    «Und wenn ja? Stell dir vor, du siehst, dass im ersten Stock kommunistische Spione lauern, die dich entführen wollen. Dann würdest du mit dem Fahrstuhl nach unten fahren.»
    «Aber was ist, wenn die Spione den Fahrstuhl gerufen haben, um einfach den Menschen zu entführen, der sich gerade darin aufhält? Was ist, wenn der Versuch, der Zukunft zu entwischen, sie erst herbeiführt?»
    «Wenn du die Zukunft genauso sehen könntest wie das Ende der 16th Street vom Dach des Kilroy-Kaufhauses, gäbe es sie schon. Und wenn es sie schon gibt, kannst du sie nicht ändern.»
    «Stimmt, aber was du am Ende der 16th Street siehst, kannst du nicht beeinflussen. Es ist mehr oder weniger von Städteplanern, Architekten und Designern festgelegt, es sei denn, du sprengst ein Haus in die Luft oder so. Aber du kannst beeinflussen, was innerhalb der nächsten Minute geschieht.»
    «Und wie heißt jetzt die Antwort? Kannst du die Zukunft ändern oder nicht?»
    Vielleicht hat die Antwort nichts mit Metaphysik zu tun, sondern schlicht und einfach mit Macht. «Das bleibt die große Unbekannte, Javi.»
    Sie sind im Erdgeschoss. Der Sechs-Millionen-Dollar-Mann spannt in Malcolms Fernseher rasselnd seine Bizepsprothesen.
    «Mach’s gut, Luisa.»
    «Ich verlasse die Stadt nicht für immer, Javi.»
    Der Junge streckt ihr zum Abschied die Hand entgegen, und Luisa schüttelt sie. Die Geste überrascht sie: Sie hat etwas Feierliches, Endgültiges und tief

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