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Der Wolkenatlas (German Edition)

Der Wolkenatlas (German Edition)

Titel: Der Wolkenatlas (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Mitchell
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eingehen, und in diesem Getümmel werden sie ungeschoren davonkommen. Napier sucht verzweifelt einen Ausweg; direkt neben ihnen befindet sich ein fensterloses Lagerhaus. «Die Treppe hoch», sagt er und hofft, dass die Tür offen ist.
    Sie ist offen.
    Ein karger Eingangsbereich, spärlich beleuchtet von einer einzelnen Neonröhre voll toter Fliegen. Napier verriegelt die Tür, ein junges Mädchen im Sonntagsstaat und ein altersschwacher Pudel in einem Pappkarton sehen ihm unbeeindruckt zu. Drei Ausgänge am hinteren Ende. Gewaltiger Maschinenlärm.
    Eine schwarzäugige Mexikanerin kommt wie aus dem Nichts herbeigerannt und fuchtelt aufgebracht mit den Händen. «Nichts ’llegale! Nichts ’llegale! Bossweg! Bossweg! Kommen Sie wieder Andertag!»
    Luisa redet in bruchstückhaftem Spanisch auf sie ein. Die Mexikanerin funkelt sie böse an und zeigt mit dem Daumen missmutig auf die Hinterausgänge. Die Tür knirscht unter einem Schlag. Napier und Luisa rennen durch den hallenden Raum. «Links oder rechts?», fragt Napier.
    «Keine Ahnung!», keucht Luisa.
    Napier blickt sich fragend nach der Mexikanerin um, aber die Tür erzittert unter einem weiteren Schlag, splittert beim nächsten, und beim dritten fliegt sie auf. Napier zerrt Luisa durch den linken Ausgang.
     
    63
     
    Bisco und Roper, die beiden Wasserträger, die Bill Smoke für diesen Job engagiert hat, werfen sich gegen die Tür. In seinem inneren Gerichtssaal verurteilt Bill Smoke William Wiley und Lloyd Hooks wegen grober Dummheit. Ich hab’s euch gleich gesagt! Man kann Joe Napier nicht trauen, dass er sein Gewissen ein- und seine Angeln auspackt.
    Die Tür geht zu Bruch.
    Drinnen bekommt eine spinnenartige Mexikanerin einen hysterischen Anfall. Ein ruhiges Kind und ein herausgeputzter Pudel sitzen auf einem Schreibtisch, als würden insgeheim sie und nicht die Mexikanerin den Laden schmeißen. «FBI!», brüllt Bisco und wedelt mit seinem Führerschein. «Wo sind sie lang?»
    Die Mexikanerin kreischt: «Wir gut zu unsere Arbeiter! Sehr gut! Viel bezahl! Brauchen kein Gewerkschaft!»
    Bisco zückt seine Waffe und schießt den Pudel gegen die Wand. «WO SIND SIE LANG, VERDAMMT?»
    Jesus Mohammed Christus, genau deshalb arbeite ich allein.
    Die Mexikanerin beißt sich zitternd in die Faust und stimmt ein Klagegeheul an.
    «Toll, Bisco, als ob das FBI Pudel abknallt.» Roper beugt sich über das Kind, das den Tod des Hundes ungerührt hinnimmt. «Welchen Ausgang haben der Mann und die Frau genommen?»
    Sie sieht ihn an, als wäre er ein schöner Sonnenuntergang.
    «Sprichst du Englisch?»
    Eine Hysterische, eine Stumme, ein toter Köter, Bill Smoke geht zuden drei Ausgängen, und ein Paar ausgemachte Schwachköpfe . «Zeitverschwendung! Roper, rechte Tür. Bisco, linke. Ich nehm diemittlere.»
     
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    Gänge, Reihen und Wände aus zehn aufeinander getürmten Pappkartons verbergen die wahren Ausmaße des Lagerraums. Napier verkeilt die Tür mit einer Sackkarre. «Bitte sagen Sie, dass Sie Ihre Waffenallergie seit gestern überwunden haben», zischt er.
    Luisa schüttelt den Kopf. «Und Sie?»
    «Nur eine Knarre. Sechs Schuss. Los.»
    Während sie einen der Gänge hinunterrennen, hört Luisa, wie die Tür aufgestemmt wird. Napier stößt einen Turm aus Kartons um, um den anderen die Sicht zu versperren, und ein paar Meter weiter noch einen. Sie laufen weiter, doch Minuten später irren sie noch immer ziellos durch den Lagerraum. Vor ihnen kippt ein dritter Turm um, und es regnet Bibos – Luisa kennt das dusslige gelbe Emu aus der Kindersendung, die Hal sich immer ansah, wenn er gerade keinen Job hatte. Halten Sie den Kopf runter , signalisiert ihr Napier mit einem Zeichen. Luisa hofft, dass der Maschinenlärm, der durch die Wände dringt, die polternden Kartons übertönt.
    Fünf Sekunden später pfeift eine Kugel nur wenige Zentimeter an Luisas Kopf vorbei und zerfetzt einen Karton. Bibo-Füllung quillt ihr entgegen. Sie stolpert und stößt mit Napier zusammen; über ihnen zerreißt ein mächtiger Knall die Luft. Napier zieht seine Waffe und feuert zweimal an Luisa vorbei. Sie kauert sich vor Schreck auf den Boden. «Weiter!», schnauzt Napier, während er sie wieder hochzieht. Luisa gehorcht – Napier stößt jetzt ganze Kartonwände um, um den Verfolgern den Weg zu blockieren.
    Zehn Meter weiter kommt Luisa an eine Abzweigung. Auf einer Sperrholztür steht NOTAUSGANG.
    Abgeschlossen. Joe Napier schließt keuchend zu ihr auf. Es gelingt ihm nicht,

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