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Der Wolkenatlas (German Edition)

Der Wolkenatlas (German Edition)

Titel: Der Wolkenatlas (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Mitchell
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tot, verschwanden sie, ohne etwas mitzunehmen. Weil Margo noch im Koma liegt, kann man nicht von Mord sprechen, deshalb kommt die Polizei immer wieder mit dem Märchen, es habe sich um einen dilettantischen Raubüberfall mit bösem Ausgang gehandelt.»
    «Böse für Margo.»
    «Und verdammt gut für Seaboard. Die Krankenhauskosten stürzen ihre Familie in den Ruin. Ein paar Tage nach dem Überfall tauchte plötzlich eine Immobiliengesellschaft aus L. A. namens Open Vista bei Margos Cousin auf und bot ihm für die paar Morgen Gestrüpp einen Preis, der viermal höher liegt als sein Marktwert. Angeblich, um es in ein privates Naturschutzgebiet umzuwandeln. Daraufhin bat ich GreenFront, Nachforschungen über Open Vista anzustellen. Die Firma war erst acht Wochen zuvor gegründet worden, und raten Sie mal, welcher Name auf der Spendengeberliste ganz oben steht?» Van Zandt deutet mit dem Kopf nach Swannekke Island.
    Luisa muss über all das nachdenken. «Sie hören von mir, Hester.»
    «Das hoffe ich.»
     
    27
     
    Alberto Grimaldi genießt die außerplanmäßigen Sicherheitsbesprechungen, die er mit Bill Smoke und Joe Napier in seinem Büro auf Swannekke abhält. Ihm gefällt die kühle Sachlichkeit, mit der sich die beiden Männer von dem sonstigen Gefolge aus Bittstellern und Schleimern abheben. Es gefällt ihm auch, seine Sekretärin in den Empfangsbereich zu schicken, wo er Firmenbosse, Gewerkschaftsführer und Regierungsbeamte möglichst stundenlang schmoren lässt, und sie sagen zu hören: «Frank, Joe, Mr.   Grimaldi hat jetzt Zeit für Sie.» Bei Smoke und Napier kann er ungehindert J. Edgar Hoover spielen. Napier, aufgewachsen in New Jersey, ist für ihn ein zäher, treuer Wachhund, der auch nach fünfunddreißig Jahren Kalifornien nichts von seiner Härte eingebüßt hat. Bill Smoke ist sein Vertrauter, der sich über Mauern, moralische Bedenken und Gesetze hinwegsetzt, um die Befehle seines Herrn auszuführen.
    Das heutige Treffen wird von Fay Li bereichert, die auf Napiers Wunsch für den letzten Punkt auf der geheimen Tagesordnung hinzugerufen wurde: eine Journalistin namens Luisa Rey, die am Wochenende auf Swannekke gewesen ist und eventuell ein Sicherheitsrisiko darstellt. «Also, Fay», sagt Grimaldi, der auf dem Rand seines Schreibtisches sitzt, «was wissen wir über sie?»
    Fay Li rattert ihren Bericht herunter, als hätte sie ihn auswendig gelernt. «Reporterin beim Spyglass – aber das dürfte wohl allen bekannt sein, nicht wahr? Sechsundzwanzig, ehrgeizig, eher liberal als radikal. Tochter des berühmten, kürzlich verstorbenen Auslandskorrespondenten Lester Rey. Mutter hat nach unspektakulärer Scheidung vor sieben Jahren einen Architekten geheiratet, lebt im Nobelvorort Ewingsville. Keine Geschwister. Geschichte und Wirtschaft in Berkeley, Einser-Examen. Fing beim LA Recorder an, politische Artikel für die Tribune und den Herald . Single, lebt allein, zahlt ihre Rechnungen pünktlich.»
    «Also stinklangweilig», bemerkt Napier.
    «Und warum verschwenden wir dann unsere Zeit mit ihr?», fragt Smoke.
    Fay Li wendet sich an Grimaldi: «Wir haben sie am Dienstag während der Einweihungsfeier in der Forschungsabteilung erwischt. Sie behauptete, sie sei mit Dr.   Sixsmith verabredet.»
    «Weswegen?»
    «Angeblich ein Auftragsartikel für das Spyglass , aber ich glaube, sie wollte schnüffeln.»
    Grimaldi sieht Napier an, der achselzuckend sagt: «Schwer zu sagen, Mr.   Grimaldi. Wenn sie wirklich schnüffeln wollte, müssen wir davon ausgehen, dass sie genau wusste, wonach.»
    Grimaldi hat eine Schwäche dafür, das Offenkundige auszusprechen. «Der Bericht.»
    «Journalisten haben eine blühende Phantasie», sagt Li, «besonders die jungen, die heiß auf ihren ersten großen Knüller sind. Sie könnte möglicherweise auf die Idee kommen, Dr.   Sixsmiths Tod sei … Wie soll ich mich ausdrücken?»
    Alberto Grimaldi macht ein ratloses Gesicht.
    «Mr.   Grimaldi», springt Smoke ein, «ich schätze mal, Fay ist zu taktvoll, um es klar auf den Tisch zu bringen: Diese Rey könnte sich einbilden, wir hätten Sixsmith abgemurkst.»
    «Abgemurkst?› Gütiger Himmel. Tatsächlich? Joe? Was meinen Sie?»
    Napier spreizt die Hände. «Fay könnte Recht haben, Mr.   Grimaldi. Das Spyglass ist dafür bekannt, es mit den Tatsachen nicht allzu genau zu nehmen.»
    «Haben wir gegen das Blatt etwas in der Hand?», fragt Grimaldi.
    Napier schüttelt den Kopf. «Ich arbeite noch daran.»
    «Sie hat mich

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