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Der Wolkenkratzerthron (German Edition)

Der Wolkenkratzerthron (German Edition)

Titel: Der Wolkenkratzerthron (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Pollock
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such dir irgendwas, worin du gut bist.«

Kapitel 39
    Als Beth Gossenglas fand, beugte er sich gerade über ein Natriumitenmädchen, das so schwer verwundet war, dass sie kaum sein Gesicht zu erleuchten vermochte. Die Inkarnation des Müllgeistes war winzig, nicht größer als ein Kleinkind, und während er mit seinen Trinkhalmfingern über ihr Glasfaserhaar strich, flüsterte er ihr zu, dass Mater Viae sie liebte.
    Ein zischender, knackender Laut ertönte, und ein halbes Dutzend Ratten tastete sich vorsichtig aus der Abfalldüne hervor. Sie schleppten ein sichtbar unter Strom stehendes Kabel hinter sich her, das sie bei irgendeinem Transformatorhäuschen ausgegraben hatten. Gossenglas streifte sich Kondome über die Finger und machte sich mit diesen OP -Handschuhen an die Arbeit.
    Beth sprach ihn erst an, als er fertig war. »Dieser kompakte Look steht dir gut«, sagte sie und beäugte seinen im Vergleich zum Rest des Körpers übergroßen, zerbeulten Fußballkopf. »Auf ’ne gruslige, babykadavermäßige Art.«
    Gossenglas würdigte sie keines Blickes. »Ich habe gegenwärtig fünftausenddreiundsechzig verschiedene Organismen unter meiner Kontrolle«, erwiderte er pikiert, »die damit beschäftigt sind, Ordnung zu schaffen, Verteidigungsanlagen auszubessern und, in einigen Fällen, Operationen am offenen Herzen durchzuführen. Ehrlich gesagt würde ich sehr gern sehen, wie du nur halb so viel hinkriegst und dabei einer Papiertüte Leben einhauchst, ganz zu schweigen von einer voll funktionstüchtigen Inkarnation.« Die winzige Müllmarionette kramte von irgendwoher eine ramponierte Schachtel Zigaretten hervor, steckte sich eine zwischen die als Lippen dienenden Ränder einer geplatzten Naht und zündete sie an.
    »Du rauchst?« Beth war überrascht.
    »Als ob sich irgendwer besser für schlechte Gewohnheiten eignet als ich«, entgegnete Gossenglas.
    Beth sah zu, wie der Rauch kurz darauf zwischen seinen Balsaholzrippen hervorströmte. »Spürst du … gibt dir das irgendwas?«, fragte sie.
    »Hat es mal.« Gossenglas schloss seine Eierschalenaugen. Er klang wehmütig. »Ist lange her.«
    Als die Eierschalen wieder aufklappten, warf Gossenglas ihr einen Blick zu, in dem Kälte und ein Hauch Feindseligkeit lagen. »Was willst du, Miss Bradley?«
    Beth musterte ihn durch die Rauchschwaden. »Was glaubst du wohl, will ich?«
    Der Prinz von London lag nicht auf einer Matratze. Rücken und Schultern ruhten erhöht auf Betonschutt und großen Ziegeln. Zusehends verblasste die Farbe der Steine, und seine aschfahle Haut wurde ein bisschen dunkler, wenn auch nur ein sehr kleines bisschen.
    Beth beugte sich über ihn und strich ihm die Haare aus dem Gesicht. Seine Kiefer waren aufeinandergepresst, seine Augen weit aufgerissen. »Er sieht besser aus.«
    »Natürlich tut er das«, sagte Gossenglas entschieden. »Immerhin bin ich sein Arzt. Obwohl, das muss man ihm lassen, unser kleiner Wenn-ich-will-kann-ich-Gott hier ist mächtig schwer zu töten.«
    Luft entwich aus seinem Fußballkopf, eine Art Seufzer. »Dennoch, ich kann beim besten Willen nicht sagen, wann er wieder aufwacht«, gab er zu. »Und solange er das nicht tut, haben du und ich hier das Kommando, schätze ich.« Er war wütend, spuckte die Worte geradezu aus. »Ich möchte, dass du – «
    »Ich gehe, Glas«, unterbrach Beth ihn. Sie stand auf.
    Die Eierschalenaugen blinzelten. »Gehen? Wohin?«
    »St Paul’s. Pen braucht mich.«
    Gossenglas wartete lange, bevor er antwortete. »Weißt du was?«, sagte er schließlich. »Ich sollte dich gehen lassen.« Zu Beths Überraschung war seine Stimme voller Zorn. »Ich sollte dir alles Londoner Glück wünschen und dich schnurstracks in die Fänge der Skelettwölfe marschieren lassen. Verdient hättest du’s jedenfalls. Ich war es, der sie einander vorgestellt hat, wusstest du das? Filius und Elektra? Sie war tapfer und stark und anmutig; sie war seine beste Freundin, und er war durch sie der glücklichste Mensch, den ich kenne.«
    Er wandte den Kopf und sah sie mit unverhohlenem Abscheu an. »Und dann kamst du . Also, um der Liebe willen, die er dir entgegengebracht hat, sage ich das jetzt ein einziges Mal. Geh nicht. Glaubst du, du kannst irgendwas besser machen? Das kannst du nicht. Reach wird dich in Stücke reißen. Wenn du auf der Suche nach einem glücklichen Ende diese Abrissfelder betrittst, wird ein Ende alles sein, was du dort findest.«
    Er verstummte. Eine halbe Ewigkeit hielt Beth dem Blick seiner

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