Der Wolkenkratzerthron (German Edition)
nachjagten.
»Beth!«, brüllte eine vertraute Stimme, und ihr Herz machte einen Satz.
»Fil?«
»Was im Namen der eisernen Unterwäsche meiner Mutter machst du da oben?«
Ein Wolf schnappte zu – dann winselte er, und Beth lächelte. Auch unbewaffnet war der Sohn der Straßen ein gefährlicher Gegner.
»Beth! Ich komm von direkt unter dir zu dir rauf. Aber ich brauch meinen Speer – lass das Ding einfach fallen.«
Beth versuchte es, doch die Finger wollten ihr nicht gehorchen. Sämtliche Muskeln ihrer rechten Seite hatten sich verkrampft, sodass sie den Speer umklammert hielt, als wäre er ein lebenswichtiges Organ.
Sie starrte zornig auf ihre Hand . Der Kerl da unten nimmt’s mit drei ponygroßen Metallwölfen auf, und ich kann nicht mal ’ne verschissene Stange loslassen? Kaum auszuhalten, wie peinlich das ist. Lass. Endlich. Los. Sie kämpfte gegen ihre eigenen Muskeln, löste erst einen Finger, dann einen zweiten, dann einen dritten, bis der Speer schließlich nach unten wies, eingeklemmt zwischen Zeigefinger und Daumen.
Etwas Graues schoss unter ihr über den Schutt und in ihr Blickfeld: ein verschwommener dunkler Streifen über dem hellen Grund.
»Beth!«
Fil war über das Ziel hinausgeschossen und hart am Rand der Baustelle gelandet. Jetzt stieß er sich von einer Mauer ab und kam erneut auf sie zu.
Ihr Zeigefinger streckte sich, der Speer fiel.
Mit gefletschten Zähnen stürmten die Wölfe in Richtung der Waffe. Der asphalthäutige Junge rannte, die Hand nach seinem Speer ausgestreckt, das Gesicht vor Anspannung verzerrt. Die Skelettmonster hetzten heran, der rostige Geruch ihres Atems wehte zu Beth herauf.
Fil sprang, und eine der Bestien schnappte mit ihren stählernen Kiefern ins Leere, als seine betongrauen Finger sich um den eisernen Schaft schlossen.
Kapitel 50
Auf dem Weg nach unten schicke ich einen ziemlich missratenen Schwinger in Richtung des nächstbesten Wolfs, aber ich weiß nicht einmal, ob ich treffe. Die Landung ist hart, und ich werde ordentlich durchgeschüttelt, trotzdem stoße ich mich sofort wieder ab. Ich spüre, wie Reißzähne die Luft neben meinem Hals zerteilen, aber ich kann nicht riskieren, stehen zu bleiben und zu kämpfen.
Schneller, schneller , treibe ich mich an. Wenn ich nur halb so schnell laufen könnte, wie mein Herz hämmert, würden sie mich niemals erwischen. Der Schutt auf Reachs mörderischen Trümmerfeldern ist tot; hier gibt es keine Hilfe für mich, keine Energie, die meine Schritte beschleunigen könnte. Das leblose Gestein macht mir eine Gänsehaut.
Meine Brust platzt beinahe vor Aufregung: Ich bin bewaffnet und kampfbereit und dem Erzfeind meiner Mutter so nah wie nie.
Stolpernd laufe ich über tief gefurchten Boden: Die Rillen sind Teil von Reachs fürchterlich hässlicher Stirn. Eine Rampe erhebt sich vor mir, sein Nasenrücken. Während ich längs daran hinaufrenne, höre ich hinter mir das Schlagen von Stahl auf Stein. Der metallische Gestank der Wölfe dringt mir in die Nase.
Ich sehe nach unten, als ich vom Ende der Rampe springe. Ein gewaltiges Lippenpaar, von Rissen durchzogen wie heißer Asphalt, wischt unter mir vorbei. Ich lande ungelenk auf dem übermäßig prallen Kinn des verfetteten Scheißkerls, meine Füße schlittern über die glatte Oberfläche. Ein greller Schmerz lodert in meinem Knöchel auf, und als ich stürze, lande ich mit dem Gesicht auf irgendeinem dämlichen Felsbrocken, der offenbar allein zu dem Zweck genau dort aus der Erde ragt, damit ich mir an ihm die Nase zu Brei schlage.
»Fuck!«, brülle ich, während Frust und Schmerz mich überwältigen. Die Erde zittert unter den gewaltigen Sätzen der Wölfe. Schweiß verschmiert meine Handflächen, als ich versuche, mich aufzurichten, und ich sacke erneut zu Boden. Meine Wunden sind wieder aufgeplatzt; ich kann sehen, wie das Blut an meinem Arm hinabrinnt.
Stoß ihm den Speer in den Rachen.
Wenn ich eben noch auf Reachs Kinn gewesen bin, dann müsste doch dieser Felsbrocken, dem ich ’ne Kopfnuss verpasst habe, genau die Stelle sein, wo sein Adamsapfel hingehört.
Der Schmerz in meinem Knöchel verwandelt sich, wird tiefer, blutiger. Etwas Scharfes schiebt sich zwischen die Knochen. Ich schreie, stemme mich mit einem Arm in die Höhe, reiße mit dem andern den Speer zurück und stoße ihn in den Felsbrocken.
Alles hält inne.
Ich weiß das, weil mein Schrei urplötzlich das einzige Geräusch ist und er mit entsetzlicher Schärfe die Luft zerschneidet. Ich
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