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Der Wolkenkratzerthron (German Edition)

Der Wolkenkratzerthron (German Edition)

Titel: Der Wolkenkratzerthron (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Pollock
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höre keine Kräne, keine Bagger, keinen Baulärm; selbst die Wölfe hinter mir haben aufgehört zu knurren (obwohl das bei dem, der gerade seine Kiefer um meinen Knöchel biegt, nicht weiter überraschend ist; ich bin ’ne ziemlich große Portion).
    Mein Herz setzt beinahe aus.
    Einen rauschhaften, grausamen Augenblick lang denke ich: Ich hab’s geschafft. Ich hab den Krankönig getötet.
    » FIL !«
    Beths Schrei reißt meinen Kopf herum. Zahnräder surren. Eine metallene Kettenschlinge rotiert. Mit einem Mal sehe ich nichts anderes mehr als einen Haken an einem Stahlseil, der schnell und tief über dem aufgerissenen Boden auf mich zuschwingt. Ich versuche aufzustehen, aber der Wolf hängt an meinem Knöchel, und es ist ohnehin zu spät.
    Der Haken krallt sich mit voller Wucht in meine Eingeweide.

Kapitel 51
    Beth baumelte hilflos am Ausleger des Krans. Ihr Warnruf gerann in der Luft, verkümmerte zu einem verschreckten, hilflosen Schrei. Tief unter ihr sackte Fil auf die Knie, dann vornüber auf seine Ellbogen. Die Spitze des Hakens ragte für einen Augenblick aus seinem unteren Rücken, dann verschwand sie wieder, als Reach den Haken zurückzog. Blut quoll aus der Wunde direkt an den Lendenwirbeln und schimmerte nass in der Morgensonne.
    »Fil«, flüsterte sie wie ihr eigenes Echo. »Filius.«
    Als antwortete er auf ihren Ruf, begann er sich Arm über Arm durch den Schutt zu ziehen, wobei er seine Beine schwerfällig hinter sich herschleppte, wie einen Anker. Seine Wirbelsäule musste gebrochen sein, dachte Beth. Mitleid und Übelkeit stiegen in ihr auf. All seine Flinkheit und Straßenkindanmut waren dahin. Er wirkte so schwach wie ein aus dem Nest gefallener Vogel.
    Die Skelettwölfe scharrten in seiner Nähe zwischen den Mauersteinen herum, doch sie griffen nicht an. Für ein paar Sekunden schnupperten sie an seinem Speer, dann entfernten sie sich mit federnden Schritten.
    Ich bin Reach …
    Zahnräder kreischten, Motoren heulten, und die Baumaschinen machten sich wieder an ihre Arbeit, spien Klumpen von Erde und Gestein. Die Seilwinde des Krans, an dem Beth hing, fing an zu surren, und Beth drehte sich der Magen um, als sie auf den Boden zuraste.
    Im Fallen bemerkte sie, dass Reachs Gesichtsausdruck sich verändert hatte. Die kindliche Neugier war verschwunden; jetzt sah der Krankönig aus, als langweilte er sich mit ihr.
    Ihre nackten Füße berührten den Boden, und der Haken riss sich ruckartig aus ihrer Schulter. Die Schmerzen ertränkten sie förmlich, doch mit eisernem Willen biss sie die Zähne zusammen und taumelte durch die zertrümmerte Welt hinüber zu Fil.
    »Es hat nicht funktioniert«, keuchte er, als sie sich neben ihn kniete. Er klang verblüfft. Seine Augen rollten gefährlich richtungslos in ihren Höhlen.
    »Glas hat gesagt – seinen Rachen – aber es hat nicht funktioniert.« Er tastete nach seiner Waffe, die noch immer im Boden steckte wie eine leere Fahnenstange, zur Markierung der Stelle, wo er versagt hatte.
    »Ich weiß«, sagte Beth, »ich weiß. Ist schon okay.« Es war nicht mal in der Nähe von nah dran an okay, aber ihr fiel nichts anderes ein, was sie sonst zu ihm hätte sagen können. Sie zog den Eisenspeer aus dem Boden, schob ihren unversehrten Arm unter Fils Schultern und hievte ihn einigermaßen auf die Beine. Sie fühlte sich schrecklich schutzlos, hier so einfach im Zentrum der Baustelle zu stehen, denn sie traute Reachs plötzlicher Gleichgültigkeit ihnen gegenüber nicht eine Sekunde. Der hagere Junge war beängstigend leicht, seine Beine hingen leblos unter ihm, wie die einer Puppe. Beth schlang seine Arme um ihren Hals und schleppte ihn den Weg zurück, den sie gekommen waren. Seine Zehen hinterließen Schleifspuren auf den staubigen Trümmern.
    Die Wölfe streunten herum, betrachteten den zerbrechlichen Jungen und das Mädchen hohläugig, aber interesselos.
    Ich bin Reach.
    Die Kakofonie der Bagger hieb auf Beth ein wie ein Sturmwind. Ihr Arm hing kribbelnd und kalt an ihrer Seite. Inzwischen war der Ärmel ihres Kapuzenpullis so vollgesogen, dass Blut heraussickerte und auf den Boden tropfte.
    Sofort nachdem sie das Tunnellabyrinth betreten hatten, blieb sie stehen, benommen und erschöpft durch den Blutverlust. Sie konnte keinen Schritt mehr tun. Behutsam lehnte sie Fil an die Mauer und griff mit ihrer unversehrten Hand nach dem Speer.
    Wieso hast du uns gehen lassen?
    Misstrauisch behielt sie den Eingang im Auge. Beinahe im selben Moment, als Fil den Speer

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