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Der Wolkenkratzerthron (German Edition)

Der Wolkenkratzerthron (German Edition)

Titel: Der Wolkenkratzerthron (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Pollock
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Sein Fuß verging in einer Stichflamme aus Licht und Gas, und er fiel ungelenk neben einem Stacheldrahtzaun zu Boden. Gequält robbte er über den nassen Asphalt. Die Welt um ihn herum war hell von erleuchteten Fenstern, sicheren, trockenen Lampen, doch es gab keinen Weg hinein.
    Der Rand der Plane verfing sich in einem spitzen Betonstück, blieb daran hängen, während der Whitey vorankroch. Dann lag er schutzlos da, konnte nicht weiter. Krämpfe schüttelten ihn, sein Knie schabte über den rauen Asphalt. Ein Funke schlug, und Flammen hüllten ihn ein, als die Wasserstoffwolke um ihn her sich entzündete. Allzu kurz wirkte die Hitze wie Balsam, im nächsten Moment war sie ausgebrannt.
    Nur die Schmerzen, die wie Wellen von Nadelstichen durch seinen Leib rauschten, hielten ihn bei Bewusstsein. Er dachte an sein Zuhause, fragte sich, wie er sich so weit von den hellen, gasweißen Lichtkugeln hatte entfernen können, die über dem Markt in der Carnaby Street hingen. Seine Brüder und Schwestern waren jetzt gewiss dort, unter dem Regen, der harmlos an ihren Lampengehäusen abprallte. Eine der Kugeln blieb dunkel, leer; dort hätte er sein sollen.
    Über ihm regte sich etwas, ein schmaler, düsterer Schatten, und der Whitey sah auf. Ein Geflecht aus Stacheldraht kam vom Zaun her auf ihn zu, drehte und wand sich wie eine Schlange durch die Luft. Ein Zittern durchlief es von einem Ende zum andern, die Stachel stießen ein rasselndes Zischen aus.
    »Nein« , flackerte er. Trotz seiner Qualen packte ihn eine ungeheure Furcht. »Nein, zieh dich zurück. Ich bin nicht dein. Ich kann dir keine Kraft geben.«
    Doch das augenlose Wesen kam immer näher, und im flirrenden Licht seiner Worte sah er, wie eine Ranke sich schlängelnd vom Boden erhob, um sein Gesicht zu streicheln. Die Feuchtigkeit darauf verbrannte ihn.
    »Bitte« , flüsterte er in mattem Flackern, »bitte, nicht mich. Ich kann dir Dinge erzählen – es gibt Gefahren, Gefahren für deinen Meister. Der Sohn Viaes, er rüstet ein Heer gegen ihn, gegen Reach. Ich hab ihn gesehen – ich hab mich versteckt und es von seinen eigenen Lippen gelesen – «
    Aber das Wesen wand sich weiter begehrlich um ihn, enger und enger. Metallene Dornen umklammerten heißhungrig seinen Kopf, suchten einen Weg hinein, als könnten sie die Informationen, mit denen er zu feilschen versuchte, einfach aus seinen Gedanken rauben.
    Risse übersäten jetzt seinen Leib, und er schrie gleißend, als die Stacheln sich in seinen gläsernen Schädel gruben und das Wasser hineinließen.

Kapitel 10
    Beth saß im Bus Richtung Bethnal Green. Sie blickte sich um, aber sie konnte keinen nassen Hund entdecken, also musste der Geruch wohl von ihr kommen. Seltsame Flecken hüpften am Rand ihres Sichtfelds umher, und es fühlte sich an, als würde in ihrem Hinterkopf ein Gnom mit Bleistiefeln einen Stepptanz aufführen.
    Sie brachte es tatsächlich fertig, zwischen dem Drücken der Klingel und dem zischenden Halten des Busses kurz einzunicken. Ruckartig wurde sie wach und sprang auf die Füße, drängte sich mit der Schulter durch die sich bereits schließende Tür. Irgendwo im Westen hallte ein Donnerschlag wider, und der Regen fiel doppelt so heftig, begrüßte sie mit einem Schwall der Begeisterung, klatschte ihr das Haar patschnass an den Schädel.
    Beth seufzte und stapfte vorwärts.
    Zuerst glaubte sie, er wäre eine Halluzination, wie er im Schneidersitz einfach dahockte, sich mutlos durchtränken ließ. Die Straßenlaternen gingen der Reihe nach flackernd an und wieder aus und ließen seinen Schatten in einem sonderbar abgehackten Tanz hin und her springen.
    »He!«, rief sie. Aufregung und Erleichterung prickelten in ihren Adern. »He du! Typ!« Sie wusste nicht, wie sie ihn nennen sollte. »Straßenkind!«
    Er blickte auf, und seine grauen Augen weiteten sich, als Beth die Brückentreppe hinunterstob und dabei drei Stufen auf einmal nahm. Er rappelte sich hoch. »Was machst du hier?«, fragte er streng.
    Beth grinste. »Du hast mir doch selbst gesagt, ich soll dich unterm geborstenen Licht suchen.«
    Sie war vollkommen aus dem Häuschen: ihn wiedergefunden zu haben, ihn wirklich vor sich zu sehen. Die Hochhäuser reckten sich wuchtig nach den bernsteingelben Wolken und ließen Beth sich dermaßen klein fühlen, dass ein erregender Schauer sie überlief. »Wohnst du hier?«, fragte sie.
    Ein Grinsen ähnlich dem ihren schlich sich auf sein Gesicht. »Wohnen? Na ja, irgendwie schon, schätze ich

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