Der Wolkenpavillon
verhindern, dass er herausfindet, dass das Verschwinden seiner Frau mit meinen Ermittlungen zu tun hat, schoss es Sano durch den Kopf. Früher hätte Yanagisawa die Gelegenheit beim Schopf gepackt und den Shōgun genau darauf hingewiesen. Doch als Sano ihm nun einen raschen Blick zuwarf, schüttelte Yanagisawa kaum merklich den Kopf und gab ihm auf diese Weise zu verstehen, dass er den Mund halten würde.
Doch es war Yoritomo, der plötzlich hervorstieß: »Ihr solltet Kammerherr Sano nicht die Aufgabe übertragen, Eure Gemahlin zu retten, ehrenwerter Shōgun. Er ist schuld, dass sie verschwunden ist!«
»Yoritomo!«, rief Yanagisawa mit scharfer Stimme. »Sei still!« Auf seinem Gesicht spiegelte sich das gleiche Entsetzen, das Sano in diesem Augenblick empfand.
»Was? Wie kann das sein?«, fragte der Shōgun verwirrt. »Sprich weiter, Yoritomo -san. Ich will hören, was du zu sagen hast.«
Hilflos musste Sano mitanhören, wie Yoritomo nun die ganze Geschichte von den drei entführten und vergewaltigten Frauen hervorsprudelte und dann von Sanos erfolglosem Versuch im Gefängnis zu Edo erzählte, als er Chiyo und Fumiko den Ochsenkarrenfahrern gegenübergestellt hatte, damit sie die beiden als Täter identifizierten. Offenbar hatte Yoritomo die ganzen Ermittlungen aufmerksam verfolgt. Yanagisawa musterte seinen Sohn die ganze Zeit missbilligend, während der Shōgun die Stirn runzelte und sichtlich Mühe hatte, Yoritomos Worten zu folgen. Die anwesenden Beamten und Soldaten rückten neugierig näher, um besser mithören zu können. Sie erinnerten Sano an Haie, die im Wasser Blut gewittert hatten.
»Kammerherr Sano hat die Entführer laufen lassen«, sagte Yoritomo abschließend zum Shōgun, blickte dabei aber Sano an. »Er trägt die Schuld daran, dass diese Verbrecher auf freiem Fuß sind.« In Yoritomos dunklen Augen funkelte Hass. Er erinnerte auf beängstigende Weise an seinen Vater in jungen Jahren, als dieser immer wieder ähnliche Angriffe gegen Sano geführt hatte. »Deshalb trägt Kammerherr Sano die Schuld, wenn der ehrenwerten Nobuko etwas zustößt ...«
»Das reicht, Sohn!«, sagte Yanagisawa streng. »Lass uns allein!«
Yoritomo ging davon, aber der Schaden war nicht wiedergutzumachen. Über die Schulter warf er Sano einen triumphierenden Blick zu.
»Ehrenwerter Shōgun, bitte lasst mich erklären ...«, begann Sano, fragte sich dann aber, wie er sich verteidigen sollte, da Yoritomo in vielerlei Hinsicht recht hatte.
Der sichtlich schockierte Shōgun blickte Yoritomo mit offenem Mund hinterher, dann wandte er sich wütend Sano zu. »Wie konntet Ihr mir das antun? Nach allem, was ich für Euch getan habe!« Er stieß Sano mit seiner weichen weißen Hand vor die Brust. »Sucht Nobuko und bringt sie wohlbehalten zurück in den Palast, oder ich lasse Euch mitsamt Eurer Familie und Euren Verbündeten hinrichten!«
Diese Drohung hatte der Shōgun in der Vergangenheit schon oft gegen Sano ausgestoßen, dennoch fürchtete Sano sie mehr als je zuvor. Furcht erfasste ihn. Ihm war, als hätte jemand ihm den Boden unter den Füßen weggezogen.
»Das habe ich Euch zwar schon oft ... äh, angedroht«, fuhr der Shōgun fort, »aber diesmal meine ich es ernst!« Er stieß Sano mit dem Finger gegen die Brust. »Wenn Ihr versagt, sterbt Ihr und alle, die Euch lieb und teuer sind!«
»Ich werde Nobuko finden, ich verspreche es Euch.« Sano dachte an Reiko, an Masahiro, an Akiko und all die Menschen, deren Überleben von ihm abhing. In der Vergangenheit hatte er es jedes Mal geschafft, sich aus einer ähnlichen Zwangslage zu befreien und die Gefahr abzuwenden. Würde es ihm auch diesmal gelingen?
»Wenn ich mir eine Bemerkung erlauben darf, ehrenwerter Shōgun ...«, meldete Yanagisawa sich zu Wort. »Für die Schwierigkeiten ist nicht Kammerherr Sano verantwortlich. Der wahre Schuldige ist vielmehr die Person, die Nobuko entführt hat - falls sie tatsächlich entführt worden ist, was wir nicht mit Sicherheit sagen können.«
Trotz seiner Ängste und Sorgen entging Sano nicht die Ironie, dass ausgerechnet Yanagisawa sich für ihn einsetzte, der Mann, der so oft versucht hatte, ihn zu vernichten. Im Stillen dankte Sano seinem alten Feind.
»Ihr habt recht«, erwiderte der Shōgun. »Das alles ist nicht ausschließlich die Schuld von Kammerherr Sano. Wenn Ihr« - er starrte Yanagisawa düster an - »in all den Jahren, die Ihr alleiniger Kammerherr gewesen seid, ordentliche Arbeit geleistet hättet, dann gäbe
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