Der Wolkenpavillon
Schwierigkeiten geraten.«
»Aber?«, fragte Reiko, als Sano verstummte, um einen Schluck Tee zu trinken.
»Aber Yanagisawa hat schon so viele Verschwörungen gegen mich angezettelt, dass ich einfach nicht an seine Unschuld glauben kann.«
»Ich sehe das genauso«, pflichtete Reiko ihm bei. Sie blickte zwischen den verschiebbaren Trennwänden hindurch in das angrenzende Zimmer und rief: »Hast du jetzt nicht Unterricht, Masahiro? Also, was ist?«
Sano sah seinen Sohn im Nebenzimmer knien und mit seinen Spielzeugsoldaten herumkramen, wobei er so tat, als würde er ihrem Gespräch nicht lauschen. »Ja, Mutter«, sagte er und machte sich gehorsam auf den Weg.
»Glaubst du wirklich, Yanagisawa will dir bei der Suche nach Nobuko helfen?«, fragte Reiko.
»Ja und nein«, antwortete Sano. »Natürlich ist es auch in seinem Interesse, dass wir Nobuko finden, aber ich glaube immer noch, dass er etwas im Schilde führt. Deshalb darf ich mich nicht darauf beschränken, mit ihm zusammen die Stadt zu durchsuchen, sondern muss zusätzlich eigene Maßnahmen ergreifen.«
»Was für Maßnahmen?«, fragte Hirata.
Sano bemerkte, wie sehr Hirata darauf brannte, sich wieder an den Ermittlungen zu beteiligen, doch sie wussten beide, dass es unmöglich war.
»Ich werde mir drei Leute vornehmen, die sich vor mir in Sicherheit wähnen«, antwortete Sano.
*
Ogita wohnte in einem schmucklosen Haus in Kuramae unweit seiner Auktionshalle, in der er den Reis des Shōgun versteigerte. Die zweistöckigen Häuser in dieser Gegend waren zwar ansehnlich, aber nicht besonders elegant. Eines sah aus wie das andere. Die Dächer waren mit braunen Ziegeln gedeckt, die Balkone mit einem Sichtschutz aus Bambus versehen, die Grundstücke von verwitterten Holzzäunen umschlossen.
Als Sano und sein Gefolge zu Ogitas Haus kamen, trat ihnen der Hausherr mitsamt seinen Samurai-Leibwächtern bereits vor dem Tor entgegen und verstellte ihnen den Weg.
»Ich grüße Euch, ehrenwerter Kammerherr«, sagte Ogita. »Wie kann ich Euch zu Diensten sein?«
Sano war Ogita bereits bei offiziellen Empfängen des Shōgun begegnet, doch beide Männer hatten nie mehr als ein paar höfliche Begrüßungsfloskeln ausgetauscht. Dennoch bemerkte Sano die Unruhe des Reisgroßhändlers hinter einer Fassade bemühter Freundlichkeit.
»Ich möchte Euer Haus durchsuchen«, sagte er. »Macht den Weg frei!«
Die freundliche Miene Ogitas wich einem Ausdruck von Wachsamkeit. »Darf ich den Grund dafür erfahren?«
»Ich suche nach der Gemahlin des Shōgun«, antwortete Sano. »Sie wird vermisst, wie Ihr vielleicht schon gehört habt.«
»In der Tat, das habe ich.« Zorn legte sich auf das Gesicht des Reisgroßhändlers. »Und? Haltet Ihr mich für ihren Entführer und Vergewaltiger? So wie bei Eurer Cousine? Glaubt Ihr allen Ernstes, ich hätte die Gemahlin des Shōgun in meinem Haus versteckt?«
»Ich weiß es nicht. Habt Ihr?«
»Da müsste ich ja verrückt sein!«
»Dann habt Ihr sicher nichts dagegen, wenn meine Männer und ich uns in Eurem Haus umschauen«, sagte Sano.
Ogita wich nicht von der Stelle. »Bei allem gebotenen Respekt, ehrenwerter Kammerherr, aber ich habe sehr wohl etwas dagegen. In meinen eigenen vier Wänden möchte ich gern ungestört bleiben.« Seine Miene war neutral, seine Augen blickten wachsam, doch ohne erkennbare Emotionen. Sano nahm an, dass Ogita diese Miene aufsetzte, wenn er seine Geschäfte tätigte.
»Je eher wir hier fertig sind«, entgegnete Sano, »desto eher seid Ihr wieder ungestört.«
»Hat Euer oberster Gefolgsmann Euch denn nicht erzählt, was ich ihm gesagt habe, als er bei mir gewesen ist? Bevor er meinen jungen Bediensteten getötet hat?«
»Er sagte mir, Ihr hättet damit gedroht, Schulden bei einigen meiner Freunde einzutreiben, wenn ich Euch nicht in Ruhe lasse.«
»Ich würde es nicht als Drohung bezeichnen«, sagte Ogita mit einem falschen Lächeln. Er wusste nur zu gut, dass es tödliche Folgen haben konnte, einen hochrangigen Beamten zu bedrohen. »Es war bloß ein gut gemeinter Ratschlag.«
»Dann will ich Euch auch einen gut gemeinten Ratschlag geben«, sagte Sano. »Wenn Ihr die Schulden tatsächlich eintreibt, lasse ich Euren gesamten Besitz beschlagnahmen.«
Ogita behielt sein Lächeln bei, doch sein Doppelkinn bebte, als er krampfhaft schluckte, und Schweißperlen traten ihm auf die Stirn. Ogita wusste, dass das Tokugawa-Regime das Vermögen reicher Händler schon mehr als einmal konfisziert hatte, oft aus
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