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Der Wolkenpavillon

Der Wolkenpavillon

Titel: Der Wolkenpavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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hätte Gerüchte über zwei Ochsenkarrenfahrer gegeben ... dass sie Frauen entführen und an einen bestimmten Ort verschleppen. Nehmen wir weiter an, Ihr hättet diese Gerüchte gehört, auch wenn Ihr Jinshichi und Gombei nie gesehen habt. Sagt mir einfach nur, wo dieser Ort ist. Das ist kein Geständnis. Euch wird nichts geschehen.« Sano hasste es, einem Mann, der möglicherweise mehrere Schwerverbrechen begangen hatte, auf diese Weise entgegenzukommen. Dennoch fragte er: »Was sagt Ihr dazu?«
    Nanbu zögerte. Wenn er antwortete, gestand er seine Schuld ein. Trotzdem würde Sano ihn dann verschonen müssen, weil er sich anderenfalls nicht an seine Abmachung halten und damit gegen seinen Ehrenkodex verstoßen würde.
    »Ich ... ich weiß nicht, wo das Versteck ist«, sagte Nanbu zögernd.
    Sano hatte nun alles aus den Verdächtigen herausgeholt, drei Männern, die äußerst fragwürdige Charaktere waren, selbst wenn sie dieser Verbrechen nicht schuldig sein sollten. Er hatte alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Wenn Nanbu nicht redete, würde Sano ihn töten. Diese Absicht stand ihm offenbar ins Gesicht geschrieben, denn Nanbu wich entsetzt vor ihm zurück.
    »Ich weiß nicht, wo das Versteck ist«, sagte er, »weil es sich bewegt.«
    »Wie kann es sich bewegen?«, fragte Sano, auf eine Täuschung gefasst.
    »Es ist ein Boot«, sagte Nanbu.
    *

    Als Reiko in Asakusa eintraf, wartete Chiyo auf einer Straße unweit des Kumazawa-Anwesens auf sie. Chiyo hatte sich ihr schwarzes Kopftuch tief ins Gesicht gezogen und drückte sich gegen eine Mauer, während der Strom aus Fußgängern und berittenen Samurai an ihr vorüberzog. Sie sah klein, verängstigt und verletzlich aus. Reiko nahm an, dass Chiyo sich zum ersten Mal auf die Straße wagte, seit Sano sie nach Hause gebracht hatte. Als Chiyo Reikos Sänfte entdeckte, rannte sie sofort darauf zu und sagte schwer atmend durchs Fenster: »Danke, dass Ihr gekommen seid. Und verzeiht bitte, dass ich Euch nicht ins Haus einladen kann.«
    »Das verstehe ich«, antwortete Reiko. »Ihr schreibt in Eurer Nachricht, dass Ihr Probleme habt. Was ist denn geschehen?«
    Keuchend vom schnellen Lauf hielt Chiyo sich die Brust, während sie mit unsicheren Schritten neben der Sänfte herging. Sie hatte ganz offensichtlich Angst außer Haus, außerdem war sie immer noch krank und geschwächt. Reiko wies die Träger an, die Sänfte abzusetzen. Dann öffnete sie die Tür und bat Chiyo zu sich herein. »Kommt, setzt Euch.«
    Chiyo kam der Aufforderung nach. Als sie wieder zu Atem gekommen war, sagte sie: »Heute Morgen ist Jirocho zur Villa gekommen. Die Soldaten meines Vaters hatten den Befehl, ihn nicht hereinzulassen. Daraufhin hat er sich vor das Tor gestellt und so lange Fumikos Namen gerufen, bis sie ihn gehört hat und nach draußen gerannt ist. Sie war so glücklich, mit ihrem Vater gehen zu können, dass es mir beinahe das Herz gebrochen hätte.«
    »Wieso hat Jirocho seine Meinung geändert?«, fragte Reiko.
    »Ich habe ihn gefragt, und er sagte, er habe einen neuen Plan, um zu ermitteln, wer Fumiko vergewaltigt hat, und dass er das Mädchen brauche, um diesen Plan in die Tat umzusetzen.«
    Reiko verzog das Gesicht. Es würde Sano gar nicht gefallen, dass der Verbrecherfürst das Gesetz selbst in die Hand genommen hatte. »Wisst Ihr, wie Jirochos Plan aussieht?«
    »Er wusste von den drei Verdächtigen, die Euer Gemahl ermittelt hat«, antwortete Chiyo. »Er hat eine Nachricht an Nanbu, Ogita und Joju geschickt. In jedem dieser drei Schreiben steht, Fumiko habe den Betreffenden, also den Empfänger des Briefes, als ihren Entführer und Vergewaltiger identifiziert. Falls der Betreffende sich heute Abend nicht mit Jirocho trifft und ihm tausend koban zahlt, droht er damit, ihn bei Kammerherr Sano zu melden.«
    Reiko blickte Chiyo verwirrt an. »Aber Fumiko hat den Täter nicht richtig gesehen. Oder kann sie sich plötzlich wieder erinnern, wer es gewesen ist?«
    »Möglich. Ich weiß es nicht. Sie wollte nicht darüber reden«, antwortete Chiyo. »Wahrscheinlich lässt Jirocho es einfach darauf ankommen, dass einer der drei Männer befürchtet, Fumiko könnte ihn als Täter identifizieren.«
    Reiko nickte. »Genau. Es muss eine Falle sein! Jirocho setzt darauf, dass derjenige, der mit dem Geld auftaucht, tatsächlich der Vergewaltiger seiner Tochter ist, und dann wird er ihn töten. Aber warum hat er Fumiko mitgenommen?«
    »Sie soll ihn zu dem Treffen begleiten«, antwortete Chiyo.

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