Der Wolkenpavillon
angeblich letzten Monat.«
»Zumindest wissen wir jetzt, dass wir nach einem schwimmenden Bordell Ausschau halten müssen, und wir kennen immerhin eine Stelle, an der wir suchen können«, sagte Yanagisawa. »Gute Arbeit, Sano -san.«
Es war seltsam für Sano, ein solches Lob aus dem Munde seines alten Feindes zu hören. Noch seltsamer war, dass es Yanagisawa nichts auszumachen schien, dass Sanos Villa, in der er sich jetzt aufhielt, einst ihm gehört hatte.
»Nanbu hat mir außerdem eine Beschreibung des Schiffes gegeben«, fuhr Sano fort. »Es ist ungefähr vierzig Schritt lang, hat drei Ruder auf beiden Seiten, einen einzigen Mast, ein quadratisches Segel und eine Kabine mit rotem Ziegeldach auf dem Deck.«
Nachdem Nanbu eingesehen hatte, dass nur eine Zusammenarbeit mit Sano ihn davor bewahren konnte, wegen Entführung der Gemahlin des Shōgun bestraft zu werden, hatte er seine Informationen so schnell und bereitwillig hervorgesprudelt, dass Sano ihm kaum hatte folgen können.
»Ich habe meine Soldaten losgeschickt, um das Schiff zu entern, sollte es da sein«, sagte er nun. »Finden die Männer es nicht, machen sie sich sofort auf die Suche danach. Ich erwarte in Kürze einen Bericht.«
»Falls Eure Männer das Schiff nicht finden, sollten wir die Suche auf sämtliche Wasserstraßen von Edo ausweiten«, meinte Yanagisawa.
Sano ergriff einen Schreibpinsel und tauchte die Spitze in ein Tuschefässchen. Dabei blickte er zufällig zur Tür und sah Masahiro mit neugieriger Miene draußen auf dem Flur stehen. Sano zog ein finsteres Gesicht, und Masahiro verschwand. »Gute Idee«, sagte er dann. »Ich werde sämtliche Wasserstraßen streichen, die für ein Schiff dieser Größe zu klein sind.«
»Ich helfe Euch«, erbot sich Yoritomo.
Seine Feindschaft mit Sano schien für den Moment vergessen zu sein. Doch Yoritomos Hilfsbereitschaft war nicht ganz uneigennützig. Er wusste nur zu gut, dass nicht nur Sano, sondern auch er und sein Vater dafür bezahlen würden, wenn die Gemahlin des Shōgun verschwunden blieb.
Nachdem Sano und Yoritomo jene Wasserstraßen von der Karte gestrichen hatten, die zu schmal oder zu seicht waren für das schwimmende Bordell, blieben immer noch der Fluss Sumida sowie einige längere Abschnitte anderer Flüsse und Kanäle übrig. Yanagisawa nahm seinem Sohn den Pinsel aus der Hand und zog auf der Karte einen Kreis um die eine Hälfte des in Frage kommenden Bereichs. »Meine Armee wird in dieser Hälfte suchen«, sagte er zu Sano, »Eure Leute übernehmen die andere.«
Nachdem Yanagisawa und Yoritomo gegangen waren, sagte Marume: »Ich darf gar nicht daran denken, auf wie viele Boote diese Beschreibung mehr oder weniger zutrifft.«
»Und das Boot, nach dem wir suchen, hat weder einen Namen noch irgendwelche Besonderheiten, falls Nanbu die Wahrheit sagt«, meinte Fukida.
»Und wer immer der Besitzer sein mag«, sagte Sano, »er will keine Aufmerksamkeit auf das Boot lenken.« Was nicht weiter verwunderlich war, denn jedes Bordell außerhalb des Vergnügungsviertels Yoshiwara war illegal. »Außerdem hat Nanbu behauptet, er würde den Namen des Eigners nicht kennen.«
»Es könnte eine Ewigkeit dauern, bis wir das Boot gefunden haben«, meinte Marume düster.
»Vielleicht auch nicht«, sagte Hirata, der soeben ins Zimmer kam.
38.
Sano und Hirata standen vor den beiden Ochsenkarrenfahrern, die auf einem schmutzigen Innenhof im Gefängnis zu Edo lagen. Ihre Hände waren auf dem Rücken gefesselt, ihre Fußgelenke mit Stricken zusammengebunden.
Der große, muskulöse Jinshichi starrte seine Bezwinger mit düsterem Blick an. Während der kurzen Zeit, als er auf der Flucht gewesen war, war aus seinen Stoppeln ein stacheliger Bart geworden. Die Narbe auf seiner rechten Wange glühte rot vor Zorn, aber er sagte kein Wort.
Der Jüngere der beiden, der drahtige Gombei, wand sich, als er Sano fragte: »Warum sind wir schon wieder verhaftet worden?« Seine Lippen bluteten, und ihm fehlten mittlerweile drei Zähne; den dritten hatte er bei einem Gerangel mit Hirata eingebüßt, als er sich der Festnahme widersetzt hatte. Er grinste, doch in seinen listigen Augen spiegelte sich Furcht. »Wir haben nichts Verbotenes getan.«
»Warum seid ihr dann vor meinen Leuten geflohen? Sie sollten euch doch nur beobachten«, sagte Sano.
»Wir waren es leid, bespitzelt zu werden«, antwortete Jinshichi mürrisch.
»Und dass Eure Leute nicht mit uns mithalten konnten, ist schließlich nicht unsere
Weitere Kostenlose Bücher