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Der Wolkenpavillon

Der Wolkenpavillon

Titel: Der Wolkenpavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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floss.
    »Spürt Ihr schon etwas?«, fragte Ermittler Arai.
    Hirata schüttelte den Kopf. »Noch nicht.«
    Sein unsichtbarer Feind schien auf den rechten Augenblick zu warten, bevor er wieder in Erscheinung trat. Seit Hirata entdeckt hatte, dass dieser Feind überall an ihn herankam, blieb er so oft und so lange von zu Hause weg, wie es nur ging, um Midori und die Kinder vor der Gefahr zu schützen. Außerdem musste Hirata einen Kampf innerhalb der Palastmauern vermeiden, denn wer auf dem Palastgelände sein Schwert zog, und sei es nur zur Selbstverteidigung, wurde mit dem Tode bestraft. Also musste Hirata seinen Feind an einen anderen Ort locken.
    »Wir kämpfen an Eurer Seite, sobald er auftaucht«, sagte Ermittler Inoue.
    »Ihr werdet nichts dergleichen tun«, entgegnete Hirata. Seine Männer waren gute Kämpfer, aber diesem Gegner waren sie nicht gewachsen. Nur Hirata selbst konnte ihn besiegen. »Vergesst nicht: Ihr seid nicht hier, um zu kämpfen, sondern um Unschuldige zu beschützen.«
    Die Männer erreichten die Anlegestelle der Fähre. In einem Mietstall ließen sie ihre Pferde zurück und gingen an Bord des Fährboots. Der Fluss war so flach und grau wie eine Platte aus Blei, als der Fährmann losstakte. Je näher sie der Einmündung des Sumida ins Meer kamen, umso durchdringender wurde der Geruch nach Brackwasser. Zersplitterte Bambusstäbe, Treibholz, Papier, fauliges Gemüse, eine ausgefranste Strohsandale, eine zerbrochene Puppe, abgebrannte Feuerwerksraketen und anderer Unrat trieben vorüber. Dann gelangte das Boot in tieferes, saubereres Wasser in der Flussmitte, und der Fährmann lenkte es zwischen den Lastkähnen hindurch, die diese Fahrrinne befuhren. Leichter Regen setzte ein, ließ den grauen Fluss mit dem bleiernen Himmel verschmelzen. Die Tropfen tupften auf die Wasseroberfläche, verwandelten sie in flüssige Gänsehaut. Ein Stück weiter vorn, dort, wo der Sumida ins Meer mündete, erhoben sich zwei Inseln. Auf der südlichen Insel, Tsukudajima, lag ein Fischerdorf, dessen Bewohner aber nicht nur vom Fischfang lebten; sie waren als Spitzel für den Shōgun tätig und meldeten dem metsuke jede verdächtige Bewegung sämtlicher Wasserfahrzeuge, die in der Bucht von Edo kreuzten.
    Die Fähre machte an der Nordinsel Ishikawajima fest, dem Stützpunkt der Flotte des Tokugawa-Regimes. An den Docks waren Kriegsdschunken vertäut, bereit, jede Invasion einer fremdländischen Macht zu verhindern. In einer Werft wurden derzeit mehrere Schiffe instand gesetzt. Auf einer bewaldeten Anhöhe in der Mitte der Insel befand sich das Anwesen des Stützpunktkommandanten. Als Hirata und seine Leute von Bord der Fähre gingen, meinte Arai: »Hier werdet Ihr ihn früh genug kommen sehen, Hirata -san .«
    Hirata nickte, fragte sich jedoch, ob sein unsichtbarer Feind seine Gedanken bereits gelesen hatte und ihm auflauerte.
    Ein Sandstrand trennte die Werft von dem Dorf, das kaum mehr war als eine Ansammlung schäbiger Hütten. Dennoch drängten sich am Teehaus und an den Essensständen die Menschen. Ishikawajima war als Schlupfwinkel herrenloser rōnin« und zwielichtiger Gestalten berüchtigt, die sich auf die Insel zurückzogen, um dort Arbeit und Unterkunft zu finden und sich gleichzeitig dem Arm des Gesetzes zu entziehen. Vor vielen Jahren, als er noch Streifenpolizist gewesen war, war Hirata auf der Jagd nach Verbrechern ein-, zweimal nach Ishikawajima gekommen.
    Die Tatsache, dass diese Insel als Zufluchtsort für Halsabschneider diente, war einer der Gründe, warum Hirata an diesem Tag hierherkam. Falls es zum Kampf zwischen ihm und dem Unsichtbaren kam, würden weniger unbeteiligte, vor allem unbescholtene Zuschauer in Gefahr geraten als sonst wo in Edo.
    Hirata entfernte sich ein paar Schritte von seinen Männern und blieb abwartend am Strand stehen. Möwen pickten an gestrandeten toten Fischen und im Unrat, den der Fluss angespült hatte. Brackwasser schwappte träge über den schmutzigen Sand. Hirata blickte zur Stadt hinüber, die schemenhaft hinter Regenschleiern zu sehen war. Die Fähre, die ihn und seine Leute hierher gebracht hatte, fuhr bereits zurück in Richtung Festland. Weit und breit war kein anderes Schiff zu sehen. Die Geräusche von Hämmern und Sägen drangen von der Werft herüber.
    Hirata atmete tief durch, ließ seine Gedanken ausschweifen und beruhigte seinen Geist. Die Grenze zwischen ihm und seiner Umgebung löste sich auf, die körperlichen Fesseln fielen von ihm ab. Sein Blick

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