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Der Wolkenpavillon

Der Wolkenpavillon

Titel: Der Wolkenpavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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los, tötet uns!«, sagte Jinshichi und blickte voller Bitterkeit auf seinen Partner. »Er hat alles gestanden, was es zu gestehen gibt.«
    »Nicht ganz«, erwiderte Sano. »Es gibt noch ein viertes Opfer. Die Nonne war nicht die einzige alte Frau, die ihr in Jojus Auftrag entführt habt, nicht wahr?«
    Stille senkte sich herab, gespeist von einer Angst, die die beiden Ochsenkarrenfahrer zu erdrücken schien. Sie wichen den Blicken von Sano und seinen Männern aus. Schließlich sagte Gombei: »Es waren nur drei Frauen.«
    »Vier«, beharrte Sano.
    »Ihr könnt doch bis vier zählen, oder?«, höhnte Hirata.
    »Vielleicht ist ihr Gedächtnis nicht so gut, und sie haben die Gemahlin des Shōgun schon wieder vergessen«, sagte Sano.
    »Was?«, stießen Gombei und Jinshichi wie aus einem Munde hervor und starrten Sano ungläubig an. Ihre Fassungslosigkeit schien nicht gespielt zu sein.
    »Die Gemahlin des Shōgun wird seit gestern vermisst. »Ich vermute, sie wurde ebenfalls entführt.« Er starrte auf die beiden Ochsenkarrenfahrer. »Und zwar von euch.«
    Auf den Gesichtern von Gombei und Jinshichi spiegelte sich Entsetzen. Dann warf Jinshichi seinem Kumpan einen hasserfüllten Blick zu und stieß hervor: »Du hast mir nichts davon gesagt, dass sie die Frau des Shōgun ist!«
    »Weil ich es nicht wusste!«, rief Gombei, der viel zu verwirrt war, um Sanos Vorwurf zurückzuweisen oder überhaupt den Mund zu halten. »Ich habe gedacht, sie ist bloß irgendeine alte Frau.« Er blickte Sano an. »Ich schwöre es!«
    »Jetzt steckt ihr in noch größeren Schwierigkeiten als vorher«, sagte Hirata. »Der Shōgun wird euch den Kopf abhacken lassen.«
    »Erzählt mir, was geschehen ist!«, verlangte Sano.
    »Wir haben Geld gebraucht«, antwortete Gombei. »Also sind wir vorgestern zu Joju gegangen. Er hat gesagt, wenn wir ihm noch eine alte Frau liefern, würde er uns so viel bezahlen, dass wir aus Edo verschwinden könnten. Da haben wir uns auf die Suche gemacht und uns die Frau geschnappt.« Er stöhnte auf. »Von allen Frauen in Edo mussten wir ausgerechnet die Frau des Shōgun erwischen! Was für ein verdammtes Pech!«
    »Das wird sich zeigen«, sagte Sano. »Wenn ihr mir noch ein paar Fragen beantwortet, lasse ich euch vielleicht am Leben. Habt ihr die Gemahlin des Shōgun auf dasselbe Boot gebracht wie die anderen Frauen?«
    »Er weiß von dem Boot!«, stieß Jinshichi kläglich hervor. »Er weiß alles!«
    »Dann stimmt es also«, sagte Sano. »Das bringt mich zu der zweiten Frage: Wo ist dieses Boot?«
    Jinshichi wollte antworten, doch Gombei kam ihm zuvor und rief: »Sei still!« Dann blickte er Sano an und sagte mit einer Mischung aus Verzweiflung und Tücke: »Selbst wenn wir Euch sagen würden, wo das Boot ist, könntet Ihr es nicht finden. Für Euch würde es aussehen wie tausend andere Boote. Was haltet Ihr davon, wenn wir Euch dorthin führen?«
    Gombei grinste. Sano wusste, dass der Mann nur Zeit schinden wollte und darauf hoffte, dass er und sein Kumpan auf dem Weg zu dem Boot eine Möglichkeit fanden zu fliehen. Doch Sano hatte keine Zeit, zu verhandeln oder sich auf Diskussionen einzulassen. Wenn die beiden Ochsenkarrenfahrer ihm nicht den Weg zu dem Boot zeigten, würde er die Frist überschreiten, die der Shōgun ihm gesetzt hatte, um Nobuko zurückzubringen.
    »Also gut«, sagte Sano. »Aber ich warne euch: Keine Tricks!«

39.

    Der Rauch der Krematorien lag als stinkende Wolke über dem Stadtviertel Inaricho.
    Reiko, die mit Chiyo in einer Sänfte saß, kam dieser Rauch, der vom Vollmond beleuchtet wurde, vor wie ein geisterhafter Nebel. Das Licht der Laternen, die an Holzstäben hingen und am Sattel der Pferde von Reikos Leibwächtern befestigt waren, reichte kaum bis zum Straßenrand. Aus der Dunkelheit, die über den ausgedehnten Reisfeldern lag, erklangen das Quaken von Fröschen und das Summen von Insekten. Zu dieser späten Stunde waren Reiko, Chiyo und ihre Eskorte die einzigen Menschen, die nach Inaricho unterwegs waren.
    Inaricho war ein vergleichsweise unbedeutender Ort, der zwischen den beiden großen Tempeldistrikten Ueno und Asakusa lag. Zur Linken konnte Reiko die Lichter von Ueno ausmachen, zur Rechten die von Asakusa. Inaricho jedoch wäre ohne die gespenstisch leuchtende Wolke gar nicht zu sehen gewesen. Es war ein idealer Ort für einen Friedhof und für die Krematorien, in denen die Leichen während der Nacht eingeäschert wurden. Hinzu kam die günstige Lage Inarichos: Zum einen befand

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