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Der Wolkenpavillon

Der Wolkenpavillon

Titel: Der Wolkenpavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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vorbei ist, werdet Ihr mir dankbar sein.«
    »Wenn das hier vorbei ist, will ich Euer Gesicht nie wiedersehen«, spie Ogita hervor. »Und die Frau des Shōgun soll verflucht sein. Wäre sie nicht entführt worden, bräuchten wir uns wegen Jirocho keine Sorgen zu machen.«
    Reiko erkannte immer deutlicher, weshalb Ogita und Nanbu ihr unheiliges Bündnis geschlossen hatten. Hätte ihnen nur die Vergewaltigung von Chiyo, Fumiko und der Nonne Probleme bereitet, hätten sie es darauf ankommen lassen können, dass Jirochos Erpressung bloß ein Bluff war. Sie hätten gar nicht auf seinen Brief reagieren und hier auf dem Friedhof erscheinen müssen. Nun aber suchte der Shōgun höchstpersönlich nach jemandem, dem er die Schuld an der Entführung seiner Gemahlin geben konnte. Sollte Fumiko gegen Ogita und Nanbu aussagen, würde der Shōgun sie wahrscheinlich beim Wort nehmen und zu der Ansicht gelangen, die beiden seien auch für das Verschwinden seiner Frau verantwortlich, selbst wenn dies gar nicht der Fall sein sollte. Ogita und Nanbu mussten Jirocho vernichten, ehe er sie vernichtete.
    »Wir müssen Jirocho warnen«, flüsterte Reiko.
    »Und wie?«, fragte Chiyo.
    Chiyo hatte recht. Sie waren hinter dem Krematorium gefangen, das noch immer Gluthitze ausstrahlte. Reiko wischte sich mit dem Ärmel ihres Kimonos den Schweiß aus dem Gesicht. Wenn sie und die anderen versuchten, sich vom Friedhof zu schleichen, würden Nanbu und Ogita sie bemerken.
    »Wegen Jirocho müssen wir uns bald keine Sorgen mehr machen«, sagte Nanbu. »Nur Geduld.«
    Plötzlich hörte Reiko schwirrende Geräusche, gefolgt von dumpfen Schlägen. Ogitas und Nanbus Männer zuckten zusammen, krümmten sich und stießen Schmerzensschreie aus, als Pfeile sie durchbohrten. Mehrere Männer fielen tot oder verwundet zu Boden. Ein Hund, von einem Pfeil in die Seite getroffen, rannte jaulend davon.
    »Was geht hier vor?«, rief Ogita, während seine Leibwächter ihre Schwerter zogen und einen lebenden Schutzwall um ihn errichteten.
    Nanbu hatte Mühe, seinen Hund festzuhalten, der wild kläffend an der Leine zerrte. »Das ist eine Falle!«, rief er.
    Wieder waren zischende Geräusche zu vernehmen und kündigten einen weiteren Pfeilregen an, der aus der Dunkelheit über die Männer hereinbrach. Sie rissen die Laternen hoch und blickten panisch um sich, um die Angreifer auszumachen, boten dadurch aber nur ein umso besseres Ziel. Weitere Männer stürzten getroffen zu Boden. Nach kurzer Zeit war die Wiese mit verirrten Pfeilen übersät. Noch während Nanbus und Ogitas Männer versuchten, ihren Herrn mit ihren Körpern abzuschirmen, kletterten schattenhafte, mit Bogen und Speeren bewaffnete Gestalten auf die Friedhofsmauer. Es waren um die vierzig Mann. Im Rauch des Krematoriums, der vom Licht der Flammen glühte, sahen sie aus wie Dämonen, die der Hölle entstiegen waren. Einer der Männer war unbewaffnet. Obwohl klein und gedrungen, strahlte er Kraft und Autorität aus.
    »Hört auf zu schießen!«, rief er den schemenhaften Gestalten zu.
    »Das ist Jirocho«, flüsterte Reiko.
    *

    Fröhliches Lachen und die Musik von Samisen erklangen im Nebel, der im Licht des Mondes über dem Fluss Kanda lag wie ein silberner Teppich.
    Sano, Hirata, Marume und Fukida führten die beiden Ochsenkarrenfahrer über einen Gehweg am Ufer entlang durch das Stadtviertel Yanagibashi, »Brücke aus Weidenholz«, wo der Kanda in den Sumida mündete. Yanagibashi war früher eine Anlegestelle für Boote gewesen, die Passagiere den Sumida hinauf zum Vergnügungsviertel Yoshiwara gebracht hatten, doch auch in Yanagibashi war ein - wenn auch illegales - Vergnügungsviertel entstanden. Einige Boote, die hier vertäut waren, und einige der Teehäuser an den Ufern beherbergten Bordelle, in denen ortsansässige Prostituierte arbeiteten. Doch Yanagibashi wirkte trist im Vergleich zum glanzvollen Yoshiwara.
    Das Licht der schäbigen grellroten Laternen an den Schiffen und vor den Eingängen der Teehäuser spiegelte sich auf dem Wasser des Flusses. Das Lachen und Grölen feiernder Gäste erklang in der Dunkelheit. Unter der Brücke, die dem Viertel seinen Namen gegeben hatte, schliefen Bettler. Von den Booten, die aus Yoshiwara zurückkehrten, taumelten halb betrunkene, übernächtigte Männer an Land.
    Auf den Rat Gombeis hatte Sano seine Soldaten am Fuß der Brücke zurückgelassen. »Sonst schöpft der Eigner des Bootes sofort Verdacht, wenn er Euch und Eure Samurai sieht«, hatte Gombei

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