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Der Wolkenpavillon

Der Wolkenpavillon

Titel: Der Wolkenpavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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Bandenführer Jirocho zu: »Was soll das?« Nanbus Gesicht war vor Wut zu einer hässlichen Fratze verzerrt, und sein Hund zerrte knurrend an der Leine. »Ihr habt mir die Nachricht zukommen lassen, dass ich herkommen und Euch Schweigegeld zahlen soll, und jetzt schießt Ihr auf mich und tötet meine Männer? Habt Ihr den Verstand verloren?«
    »Keineswegs, ich denke nur praktisch«, entgegnete Jirocho. In der Pose eines Schauspielers in einem Kabuki-Drama stand er auf der Friedhofsmauer. Das Licht der Flammen flackerte auf seinem Gesicht und ließ sein Raubtierlächeln und die Wildheit in seinen Augen noch furchteinflößender erscheinen. »Ihr seid offensichtlich nicht gekommen, um mich zu bezahlen, sondern um mit mir zu kämpfen. Deshalb seht Ihr mir sicherlich nach, dass ich mir einen kleinen Vorteil verschafft habe.«
    Reiko zählte nur noch zwanzig Mann, die auf dem Friedhof standen. Jirochos zahlenmäßig überlegene Bande hatte die Überlebenden von Ogitas und Nanbus Schlägertruppen umzingelt.
    »Ich habe es ja gleich gesagt, Nanbu«, rief Ogita vorwurfsvoll. »Wir hätten nicht herkommen sollen.«
    »Ah, Ogita -san . Wie schön, Euch zu sehen.« Jirochos Stimme triefte vor Hohn. »Jetzt fehlt nur noch Joju. Wo ist er?«
    »Woher soll ich das wissen?«, entgegnete Ogita.
    »Nun, dann müssen eben zwei von dreien reichen.« Jirocho winkte seinen beiden Feinden. »Kommt hinter Euren Leuten hervor, Ogita! Ihr auch, Nanbu!«
    Als die beiden keine Anstalten machten, der Aufforderung nachzukommen, spannten Jirochos Männer ihre Bogen und legten die Pfeile an und hoben die Speere. Widerstrebend traten Nanbu und Ogita vor und gingen zu der Mauer, auf der Jirocho stand. Reiko und die anderen, die sich noch immer hinter dem Krematorium versteckten, hatten freie Sicht auf die Szene. »Sehr gut«, sagte Jirocho zufrieden, als Nanbu und Ogita vor ihm standen. Im Licht der Laternen war die nackte Angst auf ihren Gesichter zu erkennen.
    Jirocho ging auf der Mauer in die Hocke und streckte den Arm nach unten. Reiko sah, wie eine kleine Hand sich aus der Dunkelheit nach oben schob und die Finger des Bandenführers umfasste. Dann zog Jirocho ein Mädchen in einem weißen, mit blauen Schwertlilien bedruckten Kimono zu sich auf die Friedhofsmauer.
    Chiyo schnappte nach Luft. »Fumiko!«
    Die Hunde bellten und knurrten das Mädchen an, aber die achtete gar nicht darauf. Sie schien nur Augen für ihren Vater zu haben, zu dem sie voller Bewunderung aufschaute.
    Jirocho drehte das Mädchen unsanft zu Nanbu und Ogita herum und fragte: »Welcher war es?«
    Widerstrebend wandte Fumiko den Blick von ihrem Vater, betrachtete die beiden Männer und runzelte die Stirn. Ogita stieß verächtlich hervor: »Das dachte ich mir. Sie weiß es nicht! Deshalb erpresst Jirocho uns beide, Nanbu- san , und den Priester offenbar auch. Ich habe Euch ja gleich gesagt, dass es eine List ist, aber Ihr wolltet ja nicht auf mich hören. Jetzt sitzen wir in der Scheiße und ...«
    »Haltet die Klappe!«, fuhr Nanbu auf.
    »Öffnet euren Umhang, und zieht den Lendenschurz aus«, befahl Jirocho, der offenbar entschlossen war, die Untersuchung zu wiederholen, die Sano im Gefängnis zu Edo vorgenommen hatte, diesmal allerdings mit einem besseren Ergebnis. Nanbu und Ogita blicken einander hilflos an. »Macht schon«, drängte Jirocho, »oder meine Leute helfen nach!«
    Fluchend gehorchte Nanbu. Ogita tat es ihm gleich. Sie banden den Lendenschurz los und öffneten den Umhang, sodass ihre Genitalien zu sehen waren. Reiko, die das Geschehen aus ihrem Versteck beobachtete, sah einen großen dunklen Leberfleck auf Nanbus Glied.
    »Der da war es!«, stieß Fumiko hervor und zeigte auf Nanbu.
    Damit war ein weiterer Fall in diesem perfiden, komplizierten Spiel zwischen Tätern, Handlangern und Opfern gelöst. Nanbu hatte Fumiko vergewaltigt, Ogita hatte Chiyo vergewaltigt. Also war die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der dritte Mann, Joju, die Nonne vergewaltigt und in den Selbstmord getrieben hatte.
    Jirocho bedachte Nanbu mit einem Blick, so kalt wie Stahl im Winter. Dann sagte er zu seinen Leuten: »Wir müssen alle töten. Ich will keine Zeugen.«
    Die Bandenmitglieder sprangen von der Friedhofsmauer. Als sie auf Nanbu, Ogita und deren überlebende Männer vorrückten, Bogen und Speere erhoben, rief Ogita: »Wartet! Ihr könnt Nanbu haben, wenn ihr mich gehen lasst, und ihr bekommt noch ein hübsches Sümmchen dazu!«
    Ogitas Männer packten Nanbu und stießen ihn

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