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Der Wolkenpavillon

Der Wolkenpavillon

Titel: Der Wolkenpavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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verwundet hatte, auf sie zugestürmt kam, das erhobene Schwert in beiden Händen, das Gesicht wutverzerrt. Reiko warf sich gerade noch rechtzeitig zur Seite, als die Klinge niedersauste und genau an der Stelle in den Boden fuhr, wo Reiko gerade noch gelegen hatte. Wie durch ein Wunder hielt sie immer noch den Dolch in der Hand. Als sie sich aufgerappelt hatte und sich dem Angreifer stellte, sah sie, wie ein anderer von Nanbus Männern Fumiko packte und das sich windende, zappelnde Mädchen seinem Anführer in die Arme drückte.
    »Jirocho!«, rief Nanbu dem Unterweltfürsten zu. »Ich habe Eure Tochter!« Er hielt Fumiko die Klinge seines Schwertes an die Kehle. »Ruft Eure Leute zurück, oder sie ist tot!«
    Offensichtlich wusste er nicht, dass Jirocho seine Tochter verstoßen und nur deshalb wieder bei sich aufgenommen hatte, weil er sie für seinen Rachefeldzug brauchte. Entsetzen packte Reiko. Sie wusste, dass es Jirocho nur darum ging, Nanbu zu töten. Das Schicksal seiner Tochter war ihm gleichgültig.
    Jirochos Verbrecherbande zögerte; dann zogen sie sich aus der Schlacht zurück. Verwundert erkannte Reiko, dass sie die Pläne ihres Herrn und Meisters nicht zu kennen schienen. Auch Nanbus Männer hatten aufgehört zu kämpfen. Leutnant Tanuma und seine Soldaten hatten sich zwischen Reiko und ihren Angreifer gedrängt und beschirmten sie mit erhobenen Schwertern.
    Alle Blicke waren auf Jirocho gerichtet.
    Er stand stumm da, rührte sich nicht und starrte auf seine Tochter, die sich in den Armen des Mannes wand, der sie vergewaltigt hatte. Mit einem Mal legte sich ein Ausdruck tiefen Schmerzes auf sein blutverschmiertes Gesicht. Ein Schock durchfuhr Reiko. Fumiko bedeutete ihm doch noch etwas. Jirocho war zwar ein Verbrecher und geächtet, doch er war den gesellschaftlichen Konventionen verhaftet und hielt an Traditionen und überkommenen Denkweisen fest. Er hatte Fumiko verstoßen, weil er sich dazu verpflichtet gefühlt hatte, und nicht, weil seine Liebe zu ihr erloschen wäre. Jetzt bereute er, dass sein Plan sie in Gefahr gebracht hatte, zumal er Fumiko vermutlich sein Leben verdankte, denn sie hatte ihn vor Nanbus Hunden gerettet.
    Das Knistern und Prasseln des Leichnams, der im Krematorium verbrannt wurde, klang überlaut in der plötzlichen Stille. Alle, die auf dem Friedhof standen, waren so still wie die Toten, die auf dem Schlachtfeld lagen. Sogar die Hunde waren verstummt. Fumiko verharrte in Nanbus Griff und betrachtete ihren Vater mit hoffnungsvoller Erwartung. Was würde Jirocho tun?
    *

    Gombei rannte zum Boot und rief dem Eigner zu: »Du musst sofort ablegen!«
    Jinshichi rannte hinter seinem Kumpan her. »Wir kommen mit!«
    »He!«, rief Marume. »Bleibt stehen!«
    Sano und Hirata verfolgten die beiden Ochsenkarrenfahrer bereits. Der Bootsbesitzer rief Befehle, woraufhin zwei Besatzungsmitglieder an Deck erschienen. Einer löste rasch die Seile, mit denen das Schiff vertäut war. Als Gombei und Jinshichi den Landungssteg erreichten, versuchten einige Männer von der Besatzung, den Steg an Bord zu ziehen. Die drei rōnin, die an Deck standen, versperrten derweil den Durchgang in der Reling und zogen ihre Schwerter.
    »Verschwindet!«, befahl einer von ihnen den Ochsenkarrenfahrern.
    »Nehmt uns mit, sonst töten die Kerle uns!«, flehte Gombei.
    »Ihr habt sie hierher geführt, ihr Verräter!«
    Gerade als Hirata Gombei und Jinshichi eingeholt hatte, hieb einer der rōnin mit dem Schwert zu und schlitzte beiden Männern die Kehle auf. Blut spritzte, während sie zu Boden sanken. Der blitzschnelle, brutale Angriff erfüllte Sano mit Entsetzen, obwohl Gombei und sein Kumpan eine harte Strafe verdient hatten. Hirata schob die beiden Leichen mit dem Fuß von der Planke ins Wasser. Dann rannten er und Sano mit gezücktem Schwert den Landungssteg hinauf, der glitschig war vom Blut der beiden Ermordeten. Marume, Fukida und die anderen Soldaten folgten Sano dichtauf. Hirata griff die Wachen an, die den Zugang auf das Deck versperrten. Seine Klinge sirrte so schnell durch die Luft, dass kein Gegner seine Hiebe parieren konnte. Die Wachen sanken tot zu Boden, noch während der Bootsbesitzer ihnen zurief, die Angreifer zurückzuschlagen. Gleich darauf sprangen Sano und Hirata an Bord.
    Trotzdem gelang es mehreren Besatzungsmitgliedern, den Landungssteg so weit zur Seite zu schieben, dass er ins Wasser kippte, wobei er Marume, Fukida und Sanos übrige Männer mitriss. Die Ruder bewegten sich, nachdem die

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