Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Wolkenpavillon

Der Wolkenpavillon

Titel: Der Wolkenpavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
Vom Netzwerk:
worden war.
    Das Boot schwankte erneut, und die Tür glitt zu. Wieder standen Sano und Joju sich in der gespenstischen Stille des Wolkenpavillons gegenüber.
    »Vergesst nicht, Eure Männer mitzunehmen, wenn Ihr von Bord geht«, sagte Joju.
    Eine Situation wie diese erlebte Sano nicht zum ersten Mal. Ein Verbrecher benutzte einen unschuldigen Menschen als Druckmittel, um sich einen Weg in die Freiheit zu erzwingen. Fieberhaft dachte Sano daran, welche Strategien er früher schon einmal angewandt hatte. Doch diese Situation war unberechenbar.
    »Also gut«, sagte er schließlich, obwohl er noch immer angestrengt nach einem Ausweg suchte. Er durfte nicht zulassen, dass die alte Frau starb, auch wenn sie nicht die Gemahlin des Shōgun war.
    Plötzlich kam ihm eine Idee. Er wich zur Tür zurück und verharrte dort, das Kinn erhoben und mit wachsamem Blick, so als hätte er plötzlich ein Geräusch vernommen.
    »Habt Ihr das auch gehört?«, fragte er.

41.

    Jirocho sprach nicht die Worte, mit denen er Fumiko hätte retten können. Reiko sah, wie Trauer und Enttäuschung in das Gesicht des Mädchens traten, um dann von mörderischer Wut verdrängt zu werden. Wieder wand sie sich mit aller Kraft in Nanbus Armen und brachte ihn damit aus dem Gleichgewicht, dann stieß sie mit dem rechten Arm nach hinten und traf Nanbu zwischen die leicht gespreizten Beine. Im gleichen Moment hob Jirocho die Hand und öffnete den Mund, um etwas zu sagen. Nanbu stieß einen schrillen Schmerzensschrei aus und ließ Fumiko los. Sein Schwert fiel zu Boden. Er sank auf die Knie und presste die Hände auf seinen Unterleib.
    »Was ...«, begann Jirocho, die Hand noch immer erhoben, verstummte dann aber, als wäre ihm entfallen, was er sagen wollte. Vielleicht hatte Jirocho der Drohung Nanbus nachgeben wollen, doch Fumiko war ihm zuvorgekommen und hatte ihr Schicksal selbst in die Hand genommen.
    Alle Blicke waren auf das Mädchen gerichtet.
    Sie stand vor Nanbu, einen triumphierenden Ausdruck auf dem hübschen Gesicht. In der rechten Hand hielt sie das Messer, das unter dem Ärmel ihres Kimonos verborgen gewesen war. Reiko starrte das Mädchen fassungslos an. Sie stand da wie ein Samurai, der soeben seinen schlimmsten Feind in der Schlacht besiegt hat. Blut strömte aus der Wunde, die sie Nanbu zugefügt hatte. Er stöhnte und röchelte. Die Laute klangen so wild und tierisch wie das Bellen und Jaulen, das seine Hunde nun ausstießen. Nanbu presste die Hände auf die Wunde, doch das Blut quoll zwischen seinen Fingern hervor. Als seine Leute ihm zu Hilfe eilen wollten, kippte er nach vorn und sank zu Boden.
    Reiko hatte schon viele Tote und Sterbende gesehen. Nun beobachtete sie, wie der Schmerz und das Entsetzen aus Nanbus Zügen verschwanden und einer ungläubigen Miene wichen, während sein Körper die letzten Zuckungen tat, bis er schließlich regungslos dalag. Erst jetzt lösten seine Männer sich aus ihrer Erstarrung. »Rache für den Tod unseres Herrn!«, brüllte einer von ihnen.
    Sie stürmten auf Fumiko los. Diesmal zögerte Jirocho nicht. »Rettet meine Tochter!«
    Seine Bande stürzte sich auf Nanbus Männer und auf deren Hunde. Fumiko beobachtete, wie ihr Vater einen Knüppel vom Boden aufhob und gnadenlos auf die Gegner eindrosch. In den Augen des Mädchens spiegelten sich Dankbarkeit und Bewunderung. Bald waren nur noch sieben oder acht von Nanbus Leuten übrig und vier Hunde. Alle anderen hatte Jirochos Bande getötet.
    Reiko, die das Gemetzel voller Abscheu beobachtete, fuhr zusammen, als plötzlich jemand gegen sie prallte. Es war Ogita, der verzweifelt versuchte, sich einen Weg zwischen den Kämpfenden hindurchzubahnen. Er war allein, keiner seiner Schläger hatte überlebt. Als er sich dem Tor näherte, stolperte er über mehrere hölzerne Grabtafeln.
    Chiyo stellte sich ihm in den Weg.
    »Geht zur Seite!«, rief Ogita ihr zu.
    Chiyo rührte sich nicht, obwohl sich auf ihrem Gesicht Erschrecken spiegelte. Reiko riss den Blick von den kämpfenden Männern los und eilte Chiyo zu Hilfe.
    »Wer seid Ihr?«, hörte sie Ogita fragen.
    Chiyo schien gar nicht zu bemerken, dass Reiko plötzlich neben sie trat. Stattdessen legte sich Verwirrung auf ihr Gesicht, während sie Ogita unverwandt anstarrte. »Das wisst Ihr nicht?«
    »Falls wir uns schon einmal begegnet sind, kann ich mich nicht daran erinnern«, erwiderte Ogita ungeduldig. »Und jetzt lasst mich durch!«
    »Ihr habt mich entführt! Ihr habt mich unter Drogen gesetzt und

Weitere Kostenlose Bücher