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Der Wüstendoktor

Der Wüstendoktor

Titel: Der Wüstendoktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Liebling des Lehrerkollegiums und erhielt wohlwollende Zensuren. Und so blieb es – er baute sich ein Selbstbewußtsein auf, indem er sich selbst am meisten liebte und zum Vorbild nahm. Vor dem Spiegel wurde er ein Mann, übte Posen und Haltungen, drillte sich zum Chefarzt, als er vom väterlichen und mütterlichen Erbe, die er zusammenwarf, eine Klinik baute und den Namen Zemmitz populär machte. Dann war es geschafft – er war ein kleiner König, besaß eine Jagd, ein Boot auf dem Starnberger See, ein Chalet bei St. Moritz, verbrauchte vier Geliebte und schaffte es, sie ohne Abfindung wieder loszuwerden, und jetzt, mit 55 Jahren, stand er ganz oben auf der Leiter der Zufriedenheit, ein Olympier, ein bestaunter Einsamer.
    Dr. Zemmitz setzte eine verschlossene Miene auf, als er Dr. Vandura neben Katja stehen sah. Er hatte sie untergefaßt, und das wirkte so vertraut, daß Zemmitz es schon für geschmacklos hielt. Welch ein Lackaffe, dachte er neidisch. Vandura – wo mögen seine Vorfahren herkommen? Spanien? Portugal? Oder vom Balkan? Das wird es sein. Ein Balkanese! Abkomme der Skipetaren. Aufgetaucht aus Knoblauchfeldern.
    »Ich habe mir erlaubt, mit Ihrem Wagen herzukommen«, sagte Vandura, ohne die deutliche Steifheit des anderen zu beachten. »Sie hatten leichtsinnigerweise den Schlüssel stecken lassen. Bitte –« Er drehte den Autoschlüssel an dem goldenen Kettchen mit dem Anhänger um den Zeigefinger.
    »Besten Dank, Herr Kollege.« Zemmitz steckte den Schlüssel ein. Der Wagen, ach ja. In der Aufregung um Hellersen ganz vergessen. Und ausgerechnet dieser Vandura bringt ihn heran. Man muß ihm danke schön sagen und freundlich sein. Zemmitz wäre es in diesem Augenblick lieber gewesen, den Wagen hätte jemand gestohlen. Ein Auto konnte man immer kaufen … Höflichkeit gegenüber Vandura aber war ein unwiederbringlicher Prestigeverlust.
    »Ihrem Gatten geht es schlecht, miserabel –«, sagte Zemmitz in fast brutaler Ehrlichkeit. Es hatte keinen Sinn mehr, mit ärztlichen Floskeln zu jonglieren. Er sah an Vandura vorbei und erwartete von Katja keinen Tränenausbruch oder eine übermäßige Regung. Daß sie aber völlig ruhig seine Worte aufnahm, verblüffte ihn doch. »Der Zustand ist komatös. Wir haben alles getan, was menschenmöglich ist – jetzt kann nur noch Gott helfen.«
    »Leider hat er kein medizinisches Examen abgelegt«, sagte Vandura trocken. »Ich würde nicht auf diesen Laien warten.«
    Zemmitz warf einen bösen Blick zur Seite. »Wir kennen beide die Krankheit des Patienten. Der weitere Verlauf ist schicksalsbedingt.«
    »Darüber könnte man diskutieren, Herr Kollege.«
    Seine Gasinjektionen, fängt das schon wieder an?! Zemmitz' Gesicht war eine einzige Abwehr. Wenn das Adersystem so hoffnungslos verkalkt ist wie bei Hellersen, gibt es keine medizinische Therapie mehr. Nur Scharlatane doktern noch herum, erwecken Hoffnungen, die es nicht gibt, und kassieren. Es sind die Aasgeier der Medizin.
    Wie ein Aasgeier blickte Zemmitz auch Dr. Vandura an, als er antwortete: »Wir sollten die Grenzen der Medizin anerkennen.« Er sagte es bewußt hochmütig, es sollte eine geistige Ohrfeige sein. Dann wandte er sich an Katja. »Sie waren außer Haus, gnädige Frau. Was wirklich vorgefallen ist, bleibt mir ein Rätsel. Ich komme zufällig vorbei, finde die Tür offen und Ihren Gatten in einem außergewöhnlichen Zustand am Fuße der Treppe. Völlig desolat, nackt, der Bademantel lag meterweit von ihm entfernt, es sah aus, als habe ein Kampf stattgefunden, aber mit wem und warum? Ein Einbruch? Vermissen Sie etwas im Haus?«
    Katjas Haltung war bewundernswert. Man lernt es bei Hellersen, sich zu verstellen. Man ist trainiert. Nach außen das Paradies, hinter der Tür die Hölle. Ein Leben wie auf einer Drehbühne.
    »Nein«, sagte sie. Ihre Stimme klang gefaßt. »Ich vermisse nichts. Nackt war er, sagen Sie?« Mit einer schnellen Bewegung strich sie sich die Haare aus den Augen. »Kann ich Bruno sehen?«
    »Aber nur ganz kurz. Er liegt unter dem Sauerstoffzelt. Kein schöner Anblick …«
    »Ich werde ihn ertragen –«
    Im Zimmer saß noch immer Dr. Bernhard und kontrollierte in Abständen von zehn Minuten Puls und Herztätigkeit. Der Zustand Hellersens war dramatisch geworden. Von einer Minute zur anderen stieg und fiel der Blutdruck, klopfte das Herz wie toll und schlich dann wieder müde dahin. Dr. Zemmitz steckte die Hände in seinen weißen Kittel.
    »Ich warte nur noch auf einen Embolus«,

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